Zur Berechnung der Ansprüche des sales agent (OLG Wien 27. 4. 2023)

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Ein sales agent hat gekündigt und seine Ansprüche eingeklagt. Es stellte sich sowohl bei den Provisionsforderungen als auch beim Ausgleich die Frage nach der Bemessungsgrundlage…

 

Tätigkeit und Vereinbarung

Ein sales agent war seit November 2018 für einen schwedischen Modelieferanten tätig. Ein schriftlicher Vertrag lag im Entwurf vor, wurde aber nicht unterzeichnet.

 

Während der sales agent Aufträge im Betrag von über € 1,3 Mio vermitteln konnte, war der Lieferant in der Erfüllung dieser Aufträge aber auch in der Zusammenarbeit sehr nachlässig. Es blieben (abgerechnete) Provisionen offen und er hat auch den einverlangten Buchauszug nicht übermittelt.

 

Nach entsprechender Mahnung hat der sales agent die Zusammenarbeit im Mai 2020 fristlos beendet. Nachdem keine außergerichtliche Einigung erzielt werden konnte, hat er seine Ansprüche eingeklagt.

 

Er hat dabei einen Buchauszug, Provisionen, eine Kündigungsentschädigung und den Ausgleichsanspruch für den aufgebauten Kundenstock geltend gemacht. Unsere Kanzlei durfte in diesem Verfahren den sales agent vertreten.

 

Schiedsgericht in Schweden?

Der Vertragsentwurf hat die Anwendbarkeit schwedischen Rechts und als Gerichtsstand ein Schiedsgericht in Schweden vorgesehen. Der sales agent hatte den Entwurf mit den Worten kommentiert, dass er der Vorgangsweise zustimmen würde, dass zunächst er den Vertrag unterzeichnet und dann die Gegenseite unterschreiben werde. Tatsächlich ist beides nicht erfolgt. Inhaltlich bestanden aber keine Divergenzen mehr und es begann die Zusammenarbeit.

 

Der schwedische Lieferant wollte daraus ableiten, dass man sich doch auf das schwedische Schiedsgericht geeinigt hätte. Das angerufene HG Wien hat dies jedoch anders gesehen und hat seine Zuständigkeit bejaht.

 

Berechnung durch den Handelsagenten

Wir sind bei der Berechnung sowohl der Provisionsnachforderung, der Entschädigung für die nicht mehr zumutbare Kündigungsfrist als auch des Ausgleichsanspruchs von den Auftragswerten ausgegangen. Dazu lag eine Liste der Gegenseite vor, auf der wir aufbauen konnten. Der Lieferant hatte in seinen Berechnungen die deutlich niedrigeren Auslieferquoten angesetzt. Hintergrund war, dass sich der Lieferant auf das online-Geschäft konzentriert hatte bzw. damit so beschäftigt war, dass der stationäre Handel nicht ordentlich bedient werden konnte.

 

Der Lieferant hat auch versucht, die Berechtigung der Kündigung als solche zu bestreiten. Es hätte (ausgehend von den abgerechneten Provisionen) nur ein geringfügiger Provisionsrückstand bestanden und das Büro sei während Corona nicht besetzt gewesen, man hätte die Schreiben erst nach Fristablauf gesehen etc.

 

Entscheidungen der Gerichte

Das Erstgericht hat der Klage vollinhaltlich stattgegeben. Trotz fehlenden Buchauszugs sei von den Auftragswerten auszugehen, da der Lieferant beweisen müsse, dass er die fehlenden Auslieferungen nicht zu vertreten habe. Das hat er aber nicht getan.

 

Der Lieferant hat dagegen Berufung erhoben, die aber erfolgslos blieb. Einzig der von der ersten Instanz zugesprochene Buchauszug wurde in der zweiten Instanz nicht zuerkannt, da in der Berechnung ohnehin von der maximalen Summe der Auftragswerte ausgegangen wurde.

 

Dieser Ansatz erscheint zwar fragwürdig, weil, wie auch die Richterin in erster Instanz festgehalten hat, sich aus dem Buchauszug zusätzliche, noch gar nicht bekannte Folgebestellungen ergeben hätten können – also über die vorhandene Aufstellung hinaus zusätzliche Geschäfte. Wir haben dagegen keine Revision mehr erhoben, da dies im gegenständlichen Fall nicht dafürstand. Der Lieferant musste im Ergebnis einen namhaften Betrag bezahlen, was er dann auch getan hat.

 

Aufpassen bei der Vertragsgestaltung

Dennoch gilt: sales agents müssen bei der Vertragsgestaltung stets aufpassen und insb. auswärtige Gerichtsstände, Schieds- und Schlichtungsverfahren sollten, sofern möglich, vermieden werden. In diesem Fall hatte der business partner bei (nicht formal) erfolgtem Vertragsabschluss Fehler gemacht. Das ist aber nicht immer so.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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