Darf der business partner fristlos kündigen, wenn der sales agent die Ziele nicht erreicht? (OLG Graz 4. 10. 2023)

· · · · · · · · | Vertriebsrecht

Ein sales agent hat jährliche Ziele vorgegeben erhalten. Nachdem er diese schon früher nicht erreicht hatte, war dies während Corona noch weniger der Fall. Ende 2021 kündigte der business partner fristlos …

 

Tätigkeit und Vereinbarung

Ein sales agent war für einen spanischen Brillenhersteller ab dem Jahr 2017 tätig. Ein schriftlicher Vertrag wurde nicht abgeschlossen. Der Lieferant hat ein Verkaufsziel von 1.500 Brillen jährlich vorgeschlagen. Die Handelsagentin hat dem nicht widersprochen.

 

Für 2018 hat die Lieferantin als Ziel 1.499 Stück mitgeteilt und für 2019 1.800 Stück. Der sales agent hat dem nicht widersprochen, sie hat mitgeteilt, sie werde ihr Bestes geben.

 

Die Handelsagentin vermittelte 2019 aber nur Verkäufe über 828 Stück. Der Lieferant kündigte daraufhin im Jänner 2020 fristlos; der Vertrag wurde aber nach einem Gespräch nur 4 Tage später einvernehmlich fortgesetzt.

 

Ab dem Jahr 2020 wurden als Ziel jeweils 2.000 Stück mitgeteilt. Sie vermittelte im Jahr 2020 Geschäfte über 846 Stück. Eine Kündigung unterblieb, denn „man kündigt ja nicht gleich bei Corona“ (so die Aussage des Geschäftsführers des Lieferanten).

Im Jahr 2021 hat der sales agent 1.232 Stück vermittelt – und wurde am 13. 12. 2021 fristlos wegen dieser Zielverfehlung gekündigt.

 

Sie hat einen Buchauszug, eine Kündigungsentschädigung und ihren Ausgleichsanspruch für den aufgebauten Kundenstock geltend gemacht.

 

Argumente der Handelsagentin

Unsere Kanzlei durfte in diesem Verfahren den sales agent vertreten. Wir haben dabei versucht, bereits die Vereinbarung als solche anzugreifen. So haben wir argumentiert, dass die Mitteilung der Ziele per Email (es handelte sich um einen vorformulierten Passus) als Bestandteil von AGB gröblich benachteiligend und unwirksam sei. Wir haben auch argumentiert, dass die mangelnden Verkaufsergebnisse an der ungewöhnlichen und schwer verkäuflichen Kollektion lagen. Zudem haben wir gesagt, die Verkaufsziele waren nicht realistisch. Außerdem wäre dem business partner die Fortsetzung des Vertrags nicht unzumutbar gewesen, hat er doch auch in den Vorjahren den Vertrag trotz mangelnder Zielerreichung fortgesetzt. Gerade zuletzt, also im Jahr 2021, waren die Verkaufszahlen deutlich besser als 2020.

 

Entscheidungen der Gerichte

Das Erstgericht hat die Klage weitestgehend abgewiesen. Die Ziele seien wirksam vereinbart worden. Dass die Kollektion schwer verkäuflich gewesen sei, hat die Handelsagentin jedes
Jahr gesehen und dennoch Ziele de facto akzeptiert. Dass es an der Kollektion gelegen hat, hätte sie auch nicht beweisen können. Auch aufgrund der zwischenzeitlichen Kündigung Anfang 2020 hätte ihr klar sein müssen, dass der Lieferant die Ziele als wichtig ansieht und bei Verfehlung allenfalls auch Konsequenzen zieht.

 

Das OLG Granz hat dies anders gesehen. Die Vereinbarung sei zwar tatsächlich wirksam und sie hätte nicht beweisen können, dass es an der Kollektion lag. Aber: die Fortsetzung war nicht unzumutbar, mit anderen Worten: eine „fristlose“ war nicht gerechtfertigt. Die Lieferantin hat bereits 2020 – letztlich – fortgesetzt, obwohl bereits 2019 das Verkaufsziel deutlich unterschritten wurde. Dabei wurde die Zielvorgabe sogar erhöht. Dem business partner hätte schon damals bewusst sein müssen, dass es der Handelsagentin nicht möglich sein werde, das Ziel zu erreichen.

 

Auch 2020 hielt der business partner am Vertrag fest. Die Kündigungsfrist hätte 5 Monate betragen. Warum Ende 2021 (noch dazu bei einer Steigerung der Verkaufszahlen) die weitere Fortsetzung für nur 5 Monate unzumutbar gewesen sein sollte, sei nicht verständlich.

 

Die Entscheidung wurde also aufgehoben, im weiteren Verfahren geht es nur noch um die Höhe der Kündigungsentschädigung und des Ausgleichsanspruchs.

 

Aufpassen bei der Vertragsgestaltung

Auch hier gilt wieder: sales agents müssen bei der Vertragsgestaltung stets aufpassen und insb. Zielvorgaben sollten, sofern möglich, vermieden werden. In diesem Fall hatte der business partner bei der Kündigung Fehler gemacht bzw. zu spät reagiert. Das muss aber nicht immer so sein.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:
https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html