Kein Umsatz in der Kündigungsfrist – Muss der sales agent Schadenersatz zahlen? (OLG Köln 22. 9. 2023)

· | Vertriebsrecht

 

Ein sales agent war nach der Kündigung nicht mehr der aktivste. Muss er Schadenersatz leisten und wenn ja, in welcher Höhe…

 

Tätigkeit und Vertrag

 

Ein Handelsagent war für einen Finanzdienstleister tätig. Der schriftliche Vertrag sah eine allgemeine Bemühungspflicht vor. Der Agent sei für eine positive Bestandsentwicklung verantwortlich. Er solle Kundenbeziehungen sorgsam pflegen, Bestandskunden aufsuchen etc.

Der Fall erging zum deutschen Recht und zu einem Finanzdienstleister. Die Entscheidung ist aber auf das österreichische Recht übertragbar, auch auf andere Branchen und auch auf Verträge, die solche – ohnehin recht unspezifischen – Verpflichtungen nicht enthalten.

 

Kündigung und mangelnde Geschäfte

 

Der sales agent hatte selbst im August 2020 gekündigt. Vor der Kündigung erwarb er Provisionsansprüche von monatlich rund € 2.000. Nachdem er die Kündigung ausgesprochen hatte, waren es nur noch rund € 182 pro Monat.

 

Reicht dies als Beweis einer Untätigkeit?

 

Der Kläger war angesichts dieser Zahlen in Erklärungsnot geraten. Der Geschäftsherr machte die Differenz zum vor der Kündigung üblichen Geschäft geltend. Der sales agent habe offensichtlich nichts mehr getan und habe Geschäft nach hinten „geschoben“, um es seinem neuen business partner zukommen zu lassen.

Letztgenanntes hat das Gericht zwar als unkonkret zurückgewiesen – ebenso aber auch die Erklärung des sales agent, der Rückgang der Geschäftszahlen sei auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Denn strenge Lockdowns fanden bereits vor der Kündigung statt.

 

Entscheidung des Gerichts

 

Das Gericht hat festgehalten, dass der sales agent zwar nur einer Bemühenspflicht aber keiner Abschlusspflicht unterliegt. Kommt es aber zu einem „ganz erheblichen Einbruch“, so wie hier, liegt es an ihm, sich sozusagen „freizubeweisen“. Er muss dann darlegen, welche Umstände dafür maßgeblich waren, wenn nicht eine de-facto-Einstellung seiner Tätigkeit. Das hat er nicht getan.

Er ist damit schadenersatzpflichtig für den entgangenen Umsatz, im konkreten Fall des „overheads“ des Finanzdienstleisters (also vergleichbar mit der Provision eines Hauptvertreters).

 

Die Höhe des Schadenersatzes

 

Was die Bemessung des Schadenersatzes anlangt, hat das Gericht aber eine „Glättung“ vorgenommen. Der begehrte Betrag wurde um 30% gekürzt. Denn gewisse Schwankungen sind im Geschäftsleben immer möglich, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der sales agent in der Zeit der Kündigungsfrist jedenfalls den zuvor erzielten Umsatz hätte erreichen können. Das Gericht hat hier im Wege des Schätzungsermessens also einen Abzug zugunsten des sales agents vorgenommen.

 

Auswirkungen für die Praxis

 

Die Entscheidung ist nachvollziehbar. Bei einem derartigen Einbruch muss sich der Handelsagent die Frage gefallen lassen, woran es gelegen hat wenn nicht an ihm selbst. Sich sozusagen zurückzulehnen und zu sagen, ich bin selbstständig und zu nichts verpflichtet, geht schlicht nicht. Das wäre in der Praxis ein absolut unratsamer Zugang. Dazu kommt, dass ein allfälliger Ausgleichsanspruch anhand der Provisionen aus den letzten 12 Monaten des Vertragsverhältnisses zu berechnen ist (gedeckelt mit der Jahresdurchschnittsvergütung). Damit schlägt eine solches „Hinunterfahren“ des Umsatzes voll auf die Berechnung durch. Und im Extremfall, so wie hier, kommt es umgekehrt zu Schadenersatzforderungen des business partners.

Der positive Aspekt ist, dass die Entscheidung eine de-facto-Einstellung der Tätigkeit des sales agents betrifft. Kommt es, wie in der Praxis sicherlich häufiger, zu einem geringfügigen Rückgang, greift eine solche Beweislastumkehr samt Schadenersatzpflicht nicht (anderes kann aber bei der Vereinbarung von Umsatzzielen gelten). Ganz grundsätzlich gilt: der sales agent sollte auch während der Kündigungsfrist (zumindest) mit demselben Einsatz wie zuvor tätig sein/bleiben, um sich nichts nachsagen zu lassen. Ein „Verschieben“ des Umsatzes wäre im Übrigen auch deshalb nicht ratsam, weil ein neuer Geschäftsherr dies zwar kurzfristig annehmen würde, aber darüber nachdenken würde/sollte, ob es ihm selbst dann eines Tages auch so geht. Bereits deshalb sollte man den „alten“ Vertrag „sauber“ und professionell beenden – und natürlich darauf achten, dass dies der „alte“ Geschäftsherr ebenso handhabt.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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