Zur (Un)Wirksamkeit einer Vereinbarung über den Ausgleichsanspruch vor dem Vertragsende (OGH 27. 4. 2023)

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Immer wieder versuchen Geschäftsherren, im Zuge der Vertragsbeendigung einen Verzicht des sales agent auf den Ausgleich zu erreichen.

Der spätere Kläger war für das beklagte Unternehmen als Handelsagent tätig. Es kam zu Divergenzen und der Vertrag wurde einvernehmlich zum 12. 6. 2020 beendet. Vier Tage zuvor, also am 8. 6. 2020, wurde eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnet. Darin verpflichtete sich die Beklagte zur Verprovisionierung der noch vom Kläger vermittelten Verträge und der Kläger zur Zurückstellung der zur Verfügung gestellten Unterlagen. Weiter wurde festgehalten: „Weitere wechselseitige Ansprüche aus dem Vertrag, welcher Art auch immer, bestehen nicht“.

Der Kläger hat daraufhin seinen Ausgleichsanspruch geltend gemacht. Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen, da die Auflösungsvereinbarung wirksam sei. Der Vergleich ist aus Anlass der Beendigung geschlossen worden und diente auch der Klärung der unklaren Sach- und Rechtslage.

In Zweiter Instanz hat der Kläger gewonnen. Auf den Ausgleichsanspruch könne im Voraus nicht verzichtet werden.

Das beklagte Unternehmen hat daraufhin den OGH angerufen. Dieser hat an der Entscheidung nichts geändert. Der Ausgleichsanspruch ist zwingendes Recht und kann daher im Voraus durch Vertrag zum Nachteil des sales agent weder aufgehoben noch beschränkt werden. Der Handelsagent könne sich aber bei Beendigungsstreitigkeiten über solche Ansprüche dennoch wirksam vergleichen, sofern die Einbußen durch andere Vorteile, insbesondere durch die Klärung einer strittigen Sach- und Rechtslage aufgewogen wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde aber vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise verneint. Mit anderen Worten: es stand nicht fest, dass der Handelsagent in Abtausch mit seinem Verzicht auf den Ausgleichsanspruch irgendwelche anderen Vorteile erhalten hätte. Wenn die Beklagte meint, dass der Kläger ein Konkurrenzunternehmen geplant hätte und es ihm ja ermöglicht worden sei, ohne die Einhaltung einer Kündigungsfrist sein eigenes Unternehmen zu gründen, betraf dies lediglich die Motivlage des Klägers. Dies sei dem beklagten Unternehmen aber bei Abschluss der Vereinbarung nicht bekannt gewesen und sei daher auch nicht im Sinne eines Vergleichs mit eingeflossen.

Die Sache ging also zurück an das Erstgericht, um nähere Feststellungen zum Ausgleichsanspruch zu treffen. Das Berufungsgericht hat dabei die Rechtsansicht mitgegeben, dass der sogenannte Billigkeitsgrundsatz nicht darauf abstellt, ob eine nach dem Ablauf des Vertrags gesetzte Handlung rechtswidrig sei. Gemeint ist damit die geplante nachvertragliche Konkurrenztätigkeit. Diese ist nach § 25 HVertrG zwingend zulässig, kann aber Auswirkungen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs haben. Zitiert wird in diesem Zusammenhang auch die Kommentarliteratur, wonach die zukünftige Konkurrenztätigkeit bei der Ermittlung der Provisionsverluste insbesondere der Abwanderungsquote zu berücksichtigen sei.

Insgesamt ist dies dennoch eine erfreuliche Entscheidung zugunsten des Handelsagentenstands. Es kann mit einem sales agent eben nicht salopp und ohne weiteres bei bzw. im Rahmen der Beendigung vereinbart werden, dass kein Ausgleichsanspruch zustehen solle. Wenn überhaupt, kann dies nur wirksam sein, wenn der sales agent entsprechende andere Vorteile erhält. Ob der Verzicht auf die Kündigungsfrist einen solchen Vorteil dargestellt hätte, wurde hier nicht entschieden, da dies, wie ausgeführt, dem Unternehmer bei Abschluss der Vereinbarung gar nicht bekannt gewesen war.

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

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