„Wegnahme“ eines Gebiets: Ab wann läuft die Verjährungsfrist? (OLG Wien 7. 11. 2023)

· · · | Vertriebsrecht

Ein sales agent war nicht mehr am deutschen Markt, sondern nur noch in den USA tätig. Das hat er sich gefallen lassen und viele Jahre später einen Buchauszug eingeklagt. Nun stellte sich die Frage, ob Provisionsansprüche aus dem Deutschlandgeschäft verjährt sind…

 

Tätigkeit und Vereinbarung

Ein sales agent war seit 1989 für einen österreichischen Marmeladehersteller tätig. Ein schriftlicher Vertrag lag nicht vor.

 

Ab 1993 wurde der deutsche Markt direkt vom Hersteller betreut, der sales agent war dort nicht mehr tätig. Er hat dagegen nichts unternommen und war für den Hersteller nur noch in den USA aktiv. Die Zusammenarbeit wurde 2018 vom Hersteller beendet.

 

Im Jahr 2021 hat der sales agent einen Buchauszug über alle seit 1993 in Deutschland abgeschlossenen Geschäfte eingeklagt.

 

Verjährungsbeginn ab Vertragsende

Die Zusammenarbeit war im Jahr 1993 eben nur teilweise beendet worden. Der sales agent war danach ja noch in den USA tätig und das bis 2018. Das Gesetz stellt auf die Vertragsbeendigung ab. Der sales agent hat sich nun darauf berufen, dass der („restliche“) Vertrag doch erst 2018 beendet wurde. Die Klage im Jahr 2021 sei daher innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden.

 

Fristbeginn bei Teil- und Änderungskündigung

Das OLG hat offengelassen, ob in einem solchen Fall von einer unzulässigen Teilkündigung oder einer – wie es sagt – eher vorliegenden, zulässigen Änderungskündigung auszugehen ist. Denn der Kläger ist der Änderung nicht entgegengetreten und hat sich damit stillschweigend einverstanden gezeigt. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres, in dem die Änderung stattgefunden hat – also Ende 1993.

 

Anmeldung durch den Handelsagenten?

Die einzige Möglichkeit für den sales agent, den Verjährungsbeginn evtl. hinauszuschieben, hätte darin bestanden, damals seine Ansprüche beim Geschäftsherrn (business partner) „anzumelden“. Die Frist läuft dann nicht vor dessen schriftlicher Antwort ab. Reagiert er nicht, kann dadurch also eine dauerhafte Fristenverlängerung erreicht sein.

 

Eine solche Anmeldung ist aber nicht erfolgt. Der Anwalt des Klägers hat dazu vielmehr vorgebracht: „Da das Geschäft in den USA gut gelaufen ist, hat er sich vorerst nicht weiter um seine Ansprüche aus dem Deutschlandgeschäft gekümmert“.

 

Das Wort „vorerst“ in diesem Zusammenhang in den Mund zu nehmen, ist natürlich sehr gewagt, wenn tatsächlich rund 28 Jahre vergangen sind!

 

Entscheidung des Gerichts

Die Entscheidung ist absolut richtig und war auch durchaus vorhersehbar. Wenn der gesamte Vertrag beendet wird, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist (mit dem Ende des betreffenden Jahres). Und wenn der Vertrag nur teilweise beendet wird, soll die Verjährungsfrist (was den beendeten Teil anlangt), erst beginnen, wenn auch der restliche Vertrag beendet wird – im vorliegenden Fall also erst nach 28 Jahren? Das konnte nicht richtig sein, denn dies würde zu einem massiven Wertungswiderspruch führen.

 

Aufpassen bei Vertragsänderungen

Daher gilt: sales agents müssen bei Vertragsänderungen solcher Art stets aufpassen. Verwehren sie sich nicht dagegen durch Vertragskündigung und/oder Klage, wird rechtlich idR gegen sie abgeleitet, dass sie stillschweigend zugestimmt hätten. Zudem beginnt, wie der vorliegende Fall belegt, die dreijährige (oder, sofern wirksam, eine kürzere vertragliche) Verjährungsfrist und was den Ausgleichsanspruch anlangt, sogar die einjährige Verfallsfrist.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html