Muss der sales agent eine „Fixprämie“ bei vorzeitiger Auflösung zurückzahlen? (OLG Graz 14. 4. 2023)

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Ein sales agent erhielt eine monatliche Fixprämie, geknüpft an eine zumindest 5jährige Tätigkeit und die Erreichung bestimmter Umsätze. Nach 3 ½ Jahren wollte er den Vertrag auflösen und war daraufhin mit einer Rückforderung konfrontiert…

 

Die vertragliche Regelung im Handelsagentenvertrag

Ein sales agent vermittelte ab dem Jahr 2017 Büroartikel und Mietverträge für Drucker und erhielt dafür eine umsatzabhängige Provision. Ungewöhnlich war aber die Vertragsklausel, wonach er zusätzlich eine Gesamtprämie von € 90.000 erhalten sollte, wenn er zumindest 5 Jahre für den Lieferanten tätig werden und bestimmte Umsatzziele erreichen würde. Diese Prämie solle in 30 Monatsraten á € 3.000 bezahlt werden. Wenn der Vertrag vor Ablauf von 5 Jahren auf seine Initiative hin oder wegen Nichterreichung der Ziele aufgelöst würde, müsse er alle erhaltenen Beträge zurückzahlen.

Die Umsatzziele erreichte er nicht. Daraufhin wurde vereinbart, dass die Fixprämie ab November 2018 50% der monatlich erzielten Provision ausmache, wenn diese zumindest
€ 3.500 betrage. Die übrigen Verpflichtungen, insb. die 5jährige Tätigkeitsdauer, blieben aufrecht.

 

Kündigung durch den sales agent

Im November 2020 wollte sich der sales agent verändern. Er schrieb, er wolle den Vertrag kündigen und ersuche, von einer Kündigungsfrist Abstand zu nehmen. Das Unternehmen teilte mit, dass man seine Kündigung zur Kenntnis nehme und wies auf die Kündigungsfrist hin. Der sales agent meldete sich nicht mehr (und stellte seine Tätigkeit ein).

Der Lieferant forderte daraufhin sämtliche Beträge zurück, die er als Fixprämie bezahlt hatte. Das machte immerhin € 79.000 abzüglich noch nicht ausbezahlter Provisionsforderungen von € 12.000, also rund € 67.000 aus.

 

Argumente des sales agent

Der sales agent wandte ein, dass das Fixum ein Entgeltbestandteil gewesen sei und nicht zurückverlangt werden könne. Die Rückzahlungsvereinbarung sei sittenwidrig, da er dadurch in seiner Kündigungsfreiheit beeinträchtigt sei – er müsse ja bei einer Kündigung, sofern wirksam vereinbart, mit einer Rückzahlung dieser Beträge rechnen, was ihn eben von einer Kündigung abhalten könnte. Zudem hätte er gar nicht gekündigt, sondern nur mitgeteilt, dass er kündigen werde/wolle.

 

Entscheidung der Gerichte

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht haben gegen den Handelsagenten entschieden. Er müsse die als Fixprämie erhaltenen Beträge zurückzahlen.

Der sales agent hätte nicht nur eine Anfrage gestellt, sondern klar zum Ausdruck gebracht, dass er den Vertrag kündigt. Er hatte auch im Betreff das Wort „Kündigung“ verwendet. Festgestelltermaßen wollte er den Vertrag jedenfalls beenden; er hat auch sofort danach für einen Konkurrenten zu arbeiten begonnen.

 

Sittenwidrigkeit verneint

Zum rechtlichen Einwand, dass eine solche Regelung sittenwidrig sei, hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass es ja nicht um eine Rückforderung bereits entstandener Provisionsbeträge ginge. Eine solche Rückforderung sei sittenwidrig, wenn sie an einen bestimmten Stichtag bzw. eine Vertragsdauer geknüpft worden wäre. Das sei aber hier nicht der Fall gewesen. Die Fixprämie stellte vielmehr die Gegenleistung für eine 5jährige Tätigkeit dar. Diese war zunächst gar nicht, ab der Vereinbarung vom November 2018 nur betraglich an die Provision geknüpft. Ein Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss war nicht gegeben. Für die Prämie als solche kam es nur auf die Einhaltung der Vertragsdauer an.

Diese Entscheidung zeigt, wie sich tückische Vertragsregelungen zu Lasten eines sales agent auswirken kann. Diesem sind mehrere Fehler unterlaufen:

  • eine solche Regelung zu unterfertigen, die eine Zusatzzahlung an eine 5jährige Bindung knüpft;
  • eine Verpflichtung einzugehen, die an Umsatzziele geknüpft ist;
  • grundlos, d.h. ohne Grund, die der Lieferant zu vertreten hatte, eine Kündigung anzustreben. All dies hätte sich anders regeln lassen;
  • keine Revision an den Obersten Gerichtshof zu erheben. Auch wenn das Ergebnis natürlich nicht feststeht, wäre eine Klärung durch das Höchstgericht interessant gewesen und die Chance, die Entscheidung zu revidieren, sollte man nicht auslassen.

 

Aufpassen bei der Vertragsgestaltung

Eine rechtlich abschließende Klärung ist also nicht erfolgt; dennoch zeigt die Entscheidung, dass sales agents bei der Vertragsgestaltung stets aufpassen müssen. Dies gilt nicht nur für evidente Nachteile wie solche Rückzahlungsverpflichtungen, sondern allgemein. Vorsicht ist aber auch und gerade im Bereich „kreativer“ Nebenbestimmungen geboten.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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