Ausgleichsanspruch bei „Einmalprovisionen“ (EuGH 23. 3. 2023 C-574/21)

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Der EuGH war wieder zum Handelsagentenrecht am Wort. Es ging um den Ausgleichsanspruch für vermeintliche „Einmalprovisionen“ im Mobilfunkbereich…

 

Wir hatten über das Vorabentscheidungsersuchen des tschechischen Höchstgerichts und die Schlussanträge der Generalanwältin berichtet.

 

Dem tschechischen Höchstgericht waren Zweifel an der eigenen Judikaturlinie gekommen. Demnach wäre der Ausgleich nur anhand der bestehenden Verträge zu berechnen gewesen, während ja z.B. die deutsche (und österreichische) Rechtsprechung auch auf die zukünftigen Geschäftsabschlüsse abstellt, die dem Handelsagenten nach dem Vertragsende entgehen. Das macht freilich einen bedeutenden Unterschied.

 

Um es kurz zu machen: der EuGH ist der Generalanwältin gefolgt und hat klargestellt, dass der Ausgleich auch die zukünftigen Geschäfte bzw. die daraus entgehenden Provisionen abzugelten hat. Denn der Ausgleich stellt auf die für den Geschäftsherrn fortbestehenden Vorteile ab. Für die Geschäfte, die bei Vertragsende bereits abgeschlossen sind, hat der Handelsagent ohnehin einen Provisionsanspruch. „Entgehende Provisionen“ im Sinne der Ausgleichsregelung müssen daher (auch) die zukünftigen Geschäftsfälle betreffen. Diese sind damit für die Berechnung maßgebend.

 

Die Generalanwältin hatte, wie berichtet, auch darlegt, wie der Ausgleichsanspruch zu berechnen ist. Dies hat nach der (österreichischen und deutschen) Methode der Ermittlung des Rohausgleichs zu folgen. Dieser wird dann mit der Höchstgrenze der Jahresdurchschnittsvergütung verglichen. Zur Berechnung hat sich der EuGH zwar nicht geäußert; daraus ist aber zu schließen, dass er diesen Ansatz wohl teilt.

 

Das ebenso aufgeworfene Thema „Einmalprovision“ muss man näher betrachten. Denn im Verfahren ist herausgekommen, dass damit eine pauschale Vergütung für jeden neuen Vertrag gemeint war, und zwar mit Neukunden aber auch mit vorhandenen Kunden. Es handelte sich also gerade nicht um (echte) Einmalprovisionen im Sinne einer einmaligen Provision für jeden Neukunden (wobei für Folgegeschäfte keine Provision zustehen soll).

 

Der EuGH ist zunächst allgemein auf die Ausgleichsregelung des Art 17 der EU-Richtlinie eingegangen. Er hat dazu ausgeführt:

 

„die Wahl einer bestimmten Art von Provision, wie z.B. der Einmalprovisionen, kann den Ausgleich nicht in Frage stellen. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Umgehung dieses zwingenden Anspruchs“.

 

Dies birgt durchaus Sprengkraft. Der EuGH meint hier offenbar nicht die im konkreten Fall vereinbarten „Einmalprovisionen“, die gar keine waren. Er meint vielmehr die echten Einmalprovisionen. Ansonsten müsste er ja gar keine Umgehung des Ausgleichs befürchten, wenn ohnehin Folgeprovisionen bezahlt würden).

 

Der OGH hingegen hat in den Jahren 1992 und 2005 entschieden, dass bei Vereinbarung einer (echten) Einmalprovision kein Ausgleich zustehen kann. Das wäre nun anders, die Auslegung durch den EuGH geht vor.

 

Dann wäre aber zu fragen, was das für die Provisionsabrede heißt. Steht der als Einmalprovision vereinbarte Satz dann auch für die Folgegeschäfte zu? Eine Einmalprovision ist i.d.R. höher als für fortlaufende Provisionen. Und ist diese neue Ansicht mit dem – jüngst vom EuGH bestätigten Grundsatz – vereinbar, dass die Provisionsregelungen der Richtlinie dispositiv, also (bis zur Sittenwidrigkeit) frei vereinbar sind? Und ist diese Entscheidung bereits eine ausreichende Grundlage, wo sich doch der EuGH „nur“ grundsätzlich geäußert hat, im konkreten Fall aber eine echte Einmalprovision gar nicht vereinbart war?

 

Für die Geltendmachung eines Ausgleichs trotz vereinbarter „echter“ Einmalprovision werden sich Handelsagenten sicherlich auf diese neue Entscheidung stützen. Es bleibt also spannend.

 

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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