Rückzahlung eines „Darlehens“ als Kündigungserschwernis (BGH 19. 1. 2023)

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Bisweilen erhält der Handelsagent Vorschüsse auf seine Provision. Der Geschäftsherr will diese im Fall einer Vertragsbeendigung „rückverrechnen“, stößt damit aber auf rechtliche Grenzen. Nun hatte sich der BGH in diesem Zusammenhang mit einem „Darlehen“ zu beschäftigen, welches dem Handelsagenten gewährt worden war. Mehr dazu …

Ein Handelsagent war seit dem Jahr 2013 für einen Möbellieferanten tätig. In der Zeit von Oktober 2013 bis Mai 2014 erhielt er Vorschüsse auf die Provision. Im Jahr 2014 wurde ihm ein Darlehen in der Höhe des zu seinen Lasten bestehenden Saldos gewährt. Weiter wurden monatliche Mindestzahlungen vereinbart, die mit Provisionsforderungen verrechnet werden sollten. Der sich jeweils ergebende monatliche Saldo sollte als Darlehen gewährt werden. Die Restschuld des Darlehens sollte samt Zinsen im Falle einer Vertragsbeendigung fällig werden, unabhängig davon, welcher Teil den Vertrag aus welchem Grund beendet hat.

Tatsächlich betrug der Saldo per Ende 2016 € 54.937,47. Diesen Betrag hat der Lieferant eingeklagt. In einem Parallelverfahren hatte der Handelsagent einen Buchauszug geltend gemacht. Das Erstgericht hat die Klage des Lieferanten abgewiesen, das Berufungsgericht jedoch hat der Klage stattgegeben und den Handelsagenten zu Zahlung in der genannten Höhe verurteilt, dies Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszugs durch den Lieferanten.

Der Fall erging zwar zur deutschen Rechtslage, ist aber für die österreichischen Handelsagenten schon aufgrund der vielfach bestehenden deutschen Agenturverträge interessant (in denen oft die Anwendung deutschen Rechts vereinbart wird). Zum anderen können die tragenden Erwägungen für das österreichische Recht übernommen werden zumal bis dato noch keine österreichische Entscheidung zu einem solchen Sachverhalt vorliegt.

Der BGH hat zunächst die bisher bekannten Grundsätze wiederholt:

Das Recht des Handelsvertreters zur außerordentlichen Kündigung darf nicht beschränkt werden. Eine solche Beschränkung wird auch darin gesehen, dass an die Kündigung wesentliche, die Beendigung erschwerende finanzielle Nachteile geknüpft werden. Die Rückzahlung langfristiger Provisionsvorschüsse kann – abhängig von der Höhe der zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den die Zahlungen zurückzuerstatten sind – ein solches Kündigungserschwernis darstellen. Die mittelbare finanzielle Folge muss also hinreichend schwerwiegend sein, einen Agenten von der Ausübung seines Kündigungsrechts abzuhalten.

Für den vorliegenden Fall hat er dies bejaht. Die Vereinbarung eines „Darlehens“ sei im konkreten Fall ein Umgehungsgeschäft, es bestehe kein Unterschied zu den (noch dazu zuvor) gewährten Provisionsvorschüssen. Er hat diese Darlehenskonstruktion auch von echten Darlehensvereinbarungen abgegrenzt. So sind Darlehen zum Beispiel zum Neuerwerb von Möbeln für die Agentur, als Anschubfinanzierung oder als sonstiges zweckgebundenes Darlehen wie etwa zum Erwerb einer Unternehmensbeteiligung zum Aufbau einer Vertriebsstruktur als zulässig angesehen worden (die Unwirksamkeit wurde dort nur auf die Fälligkeit bezogen, nicht jedoch auf den Anspruch an sich). Im vorliegenden Fall jedoch wurde kein besonderer Kreditbedarf des Handelsvertreters gedeckt, sondern die Darlehensgewährung diente vielmehr – wie die Vereinbarung einer monatlichen Vorschusszahlung – der dauerhaften Vorfinanzierung der vom Handelsvertreter zu erwirtschaftenden Provisionen.

Die Sache war aber noch nicht entscheidungsreif, sondern wurde an die Berufungsinstanz zurückverwiesen, um entsprechende Feststellungen zur Kündigungseinschränkung zu treffen. Der BGH hat auch etwas Interessantes dazu gesagt. Sollte nämlich das Berufungsgericht überhaupt zu dem Ergebnis kommen, dass ein Rückzahlungsanspruch besteht, wäre die Klage dennoch als „derzeit unbegründet“ abzuweisen, solange der Buchauszug zu jenem Zeitpunkt noch nicht erteilt sein sollte. Mit anderen Worten: der Lieferant hat den Buchauszug zu liefern, damit etwaige Provisionsnachforderungen festgestellt werden können, sodass im Sinne des Gesamtsaldos über den Rückzahlungsanspruch entschieden werden könne.

Der Handelsagent hat also zwei tragende Argumente an der Hand: zum einen wäre die Rückzahlung nach Ansicht des BGH offensichtlich eine unzumutbare Kündigungserschwernis und damit unwirksam; ein solcher Zahlungsanspruch kann aber jedenfalls nicht bestehen, solange kein Buchauszug vorliegt.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

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