Geschäftsleitung und Strafrecht im Lichte der OGHE vom 30.1.2014 („Libro“) zur Untreue

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1. Das wesentliche Element von § 153 StGB ist der wissentliche Befugnismissbrauch: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht …“ Ein Befugnismissbrauch liegt vor, wenn gegen gesetzliche Anordnungen, so etwa Anordnungen des GmbH-Gesetzes und des Aktiengesetzes, gegen Satzungsbestimmungen, Geschäftsordnungen oder sonstige privatrechtliche Handlungsvorgaben verstoßen wird. Beispielsweise ist ein Befugnismissbrauch die unterlassene Einholung von Gremialzustimmungen zu bestimmten Geschäften, die nach der Geschäftsordnung dieser Zustimmung bedürfen.

2. Das zweite wesentliche Element ist der Vermögensnachteil desjenigen, über dessen Vermögen der Täter verfügt oder den zu verpflichten er befugt ist (vgl bspw. Kirchbacher/Presslauer WK² § 153 Rz 36). Es wird zwischen dem Machthaber und dem Machtgeber unterschieden, wobei der Vermögensnachteil dem Machtgeber durch eine Handlung des Machthabers erwachsen muss.

3. Es besteht Einigkeit, dass der Geschädigte der Untreue (Machtgeber) auch eine Kapitalgesellschaft sein kann, als deren Organ der Täter (Machthaber) bestellt ist. Grundsätzlich wird dabei auf den unmittelbaren Nachteil der Gesellschaft abgestellt (vgl. bspw. Kirchbacher/Presslauer WK² § 153 Rz 37; OGH vom 28. 6. 2000 zu 14 Os 107/99).

4. Sonderfall Einmann GmbH: „Nichtsdestoweniger kann aber dann, wenn der Täter selbst (nicht nur Geschäftsführer, sondern auch) einziger Gesellschafter — und damit wirtschaftlich gesehen nach Maßgabe der Haftungsbeschränkung faktisch mit der Gesellschaft ident — ist, bei einer ökonomischen Betrachtung doch nicht gesagt werden, er habe durch eine Schädigung der Gesellschaft wirklich einem ‘anderen‘ einen Vermögensnachteil zugefügt.“ (Vgl. OGH vom 27. 7. 1982, 10 Os 170/80). In diesem Fall wird es wohl auch am Befugnismissbrauch fehlen.

5. Von dieser Entscheidung über die Einmann GmbH wurde die Rechtsansicht abgeleitet, dass es bei allen Gesellschaften, so auch bei der Aktiengesellschaft, zu keinem strafrechtlich relevanten Vermögensnachteil kommt, wenn die Gesellschaft zu Gunsten des Gesellschafters geschädigt wird. Ökonomisch betrachtet, stehe der Schädigung ein entsprechender Wertzuwachs beim Gesellschafter gegenüber. Diese Sichtweise führt zum Ergebnis, dass es nicht auf die unmittelbare Schädigung der Gesellschaft, sondern auf den mittelbaren Nachteil des Gesellschafters ankomme (Beachte: es geht hier nur um die Strafbarkeit, nicht um die zivilrechtlichen Folgen, wie Schadenersatz etc). Die Generalprokuratur hat unter Berufung auf diese Rechtsansicht in der causa Libro die Straffreiheit beantragt (im Zusammenhang mit der durch die Ausschüttung einer Sonderdividende erfolgten verbotenen Einlagenrückgewähr).

6. Der OGH ist dieser Rechtsansicht aber nicht gefolgt. Dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mit dem Gesellschaftervermögen gleichzusetzen ist, ist gerade bei einer Aktiengesellschaft sachgerecht. § 1 AktG normiert ausdrücklich, dass die Aktiengesellschaft eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist. In diesem Zusammenhang hat der OGH auch auf die Besonderheiten der Aktiengesellschaft hingewiesen. So nennt § 70 AktG als Zielvorgaben für die Geschäftsleitung neben dem Aktionärsinteresse ausdrücklich die Arbeitnehmerinteressen und öffentliche Interessen („Stake Holder“).

7. Welche Handlungsempfehlungen sind daraus abzuleiten: Vermögensverschiebungen – vor allem solche im Konzern – sind insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verbotene Einlagenrückgewähr kritisch zu prüfen. Geschäftsleiter sollten genau darauf achten, dass sie nicht nur ihre gesetzlichen, sondern auch sonstigen Handlungsvorgaben („Compliance“) einhalten, damit ihnen nicht der Vorwurf eines Befugnismissbrauches gemacht werden kann.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Günther Viehböck