Eigenhaftung des Handelsagenten gegenüber dem Kunden? (LG Lüneburg 13. 12. 2021)

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In dieser Entscheidung war zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kunde den Handelsagenten wegen „Falschberatung“ direkt in Anspruch nehmen kann…

 

Bisweilen stellt sich die Frage, inwieweit ein Kunde den Handelsagenten wegen einer falschen Beratung in Anspruch nehmen kann. Eine Entscheidung aus Deutschland trifft dazu grundsätzliche Aussagen, die auf das österreichische Recht übertragen werden können.

 

Was war passiert? Ein Landwirt hat Schäden an seinen Holzkisten festgestellt, in denen er Gemüse lagerte und vermutete Pilzbefall. Er rief beim örtlichen Händler an. Im Folgenden erschien ein Handelsagent eines Vertriebsunternehmens für Chemikalien. Dieser hat ihm ein bestimmtes Mittel empfohlen, das besonders geeignet sei. Die Holzkisten müsse man mit Hochdruckreiniger waschen und dann desinfizieren.

 

Der Landwirt hat das getan. Tatsächlich waren die Holzkisten aber nicht mit einem Gemüse- sondern einem Holzpilz befallen. Unter Vorlage verschiedener Rechnungen hat er einen Schaden von mehr als € 120.000 geltend gemacht. Die Holzkisten seien unbrauchbar gewesen und die Rüben waren nur noch als Futtermittel zu verwenden.

 

Der Landwirt hat sich auf einen Vertrag sui generis berufen, also eine Art spontanen Beratungsvertrag. Das Gericht ist davon ausgegangen, dass der Handelsagent lediglich Geschäfte zwischen dem Kunden und dem Geschäftsherrn vermittelt. Eine Haftung des Handelsagenten gegenüber dem Kunden sei daher regelmäßig ausgeschlossen. Auch die Annahme eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die Beratung des potentiellen Kunden begründet keine Eigenhaftung. Etwaige Schadensersatzansprüche wegen eines Verschuldens des Handelsagenten kommen grundsätzlich nur gegen den Lieferanten in Betracht. Dieser muss für den Handelsagenten als seinem Erfüllungsgehilfen einstehen. Ein besonderes persönliches Vertrauen in den bzw. ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse des Handelsagenten ändert daran nichts. Ein besonderes persönliches Vertrauen liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn der Vertreter (hier: vermeintlich) über eine besondere Sachkunde verfügt und darauf hinweist.

 

Es gibt lediglich eine Ausnahme: wenn nämlich der Handelsagent dem Kunden den Eindruck vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts gewährleisten, und zwar auch dann, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut. Dies geht also in Richtung einer persönlicher Garantieübernahme. Beispiele, in denen dies ausnahmsweise gegolten hätte, sind aber kaum verfügbar. Für ein Reisebüro als Vermittler für Reiseveranstalter wurde dies verneint. Auch reicht der bloße Provisionsanspruch des Reisebüros für ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse nicht aus, weil es lediglich ein mittelbares Interesse ist (BGH 25. 4. 2006). Eine persönliche Eigenhaftung eines Vertreters wurde in der Praxis bisher nur in ausgerissenen Fällen bejaht. So zum Beispiel bei einem Unternehmensberater, der sich als Unternehmenssanierer hervorgetan hat und unter Verweis auf seine früheren Sanierungserfolge Verhandlungen über ein Darlehen mit Dritten geführt hat. Tatsächlich jedoch war er wegen Betrugs vorbestraft und hätte natürlich kein persönliches Vertrauen genossen, falls er dies offengelegt hätte. Hier wurde eine persönliche Haftung bejaht (BGH 3. 4. 1990). Aus der österreichischen Rechtsprechung kann man auf Fälle zu Anlageberatern verweisen. So waren etwa beim European Kings Club (kurz EKC) Vermittler als Handelsagenten beschäftigt, die dann über die Grundsätze der Anlageberatung persönlich haftbar waren (wobei hier sehr wohl ein schlüssiger Abschluss eines Auskunftsvertrags angenommen wurde). Man sieht also, dass solche Fälle mit einem „normalen“ Handelsagenten so wie wir ihn verstehen und die auch so auftreten, nichts zu tun haben.

 

Im Ergebnis besteht aber kein Anlass, sich „gemütlich zurückzulehnen“. Denn falls dem Lieferanten/Geschäftsherrn ein Schaden in Form einer Ersatzpflicht aufgrund einer Fehlberatung durch den Handelsagenten erwächst, wäre dieser unter Umständen berechtigt, sich beim Handelsagenten schadlos zu halten. Dabei stellen sich zusätzliche Fragen, so ob der Geschäftsherr sich auf den Handelsagenten verlassen durfte, er z.B. angefertigte technische Zeichnungen nicht selbst hätte überprüfen müssen, ob den Handelsagenten ein Verschulden trifft etc. Im Verhältnis zum Kunden aber gelten die oben genannten Grundsätze: eine Eigenhaftung des Handelsagenten scheidet demnach in aller Regel aus.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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