Zur (Un)Wirksamkeit einer Einstandszahlung (OLG Düsseldorf 12. 5. 2021)

· | Vertriebsrecht

Bisweilen sehen (deutsche) Handelsagentenverträge „Einstandszahlungen“ vor, d.h. der Handelsagent bezahlt dem Geschäftsherrn einen Betrag für die Übergabe eines Vertriebsgebiets. Oftmals wird der Betrag gestundet und soll mit einem späteren Ausgleichsanspruch gegen gerechnet werden. Es stellt sich die Frage, ob bzw. wie weit dies zulässig ist…

 

Diese Entscheidung erging zwar zum deutschen Recht; aufgrund der insofern vergleichbaren Rechtslage sind die Erwägungen aber auf das österreichische Recht übertragbar. Zudem haben bekanntlich viele Handelsagenten Verträge mit deutschen Geschäftsherren und darin ist oftmals deutsches Recht vereinbart. Auch aus diesem Grund ist die Entscheidung interessant.

 

Ein Handelsagent war seit dem Jahr 2003 mit der Vermittlung von Anzeigen für Energie- bzw. Umweltfachmagazine für einen Verlag tätig. Für die jeweiligen Fachzeitschriften wurden gesonderte schriftliche Verträge ausgefertigt, die insgesamt Einstandszahlungen in der Höhe von € 56.250, € 95.700, € 61.200 und € 101.250, insgesamt also € 314.400 enthielten.

 

Diese Beträge wurden bis zum jeweiligen Vertragsende gestundet und sollten dann gegen einen Ausgleichsanspruch der Handelsagentur gegen gerechnet werden.

 

Die Verträge endeten durch ordentliche Kündigung durch den Verlag zum 31. 3. 2017. Die klagende Handelsagentur machte Ansprüche auf restliche Provisionen, darunter auch Überhangprovisionen und einen Handelsvertreterausgleich geltend, insgesamt € 226.890. Die Beklagte behauptete freilich die Gegenverrechnung mit der Einstandszahlung.

 

Dies wurde aber vom Landgericht in erster Instanz abgelehnt. Die Verpflichtung zur Einstandszahlung wurde als unwirksam bzw. nichtig qualifiziert. So hat die klagende Handelsagentur als Gegenleistung für diese Zahlungsverpflichtung keine gewichtigen Vorteile erlangt. Eine volle Jahresprovision als Einstandszahlung bzw. Ablösesumme für den Vorgänger sei unangemessen hoch. Nicht einmal der Altkundenstamm sei als von der Agentur selbst geworbene Neukunden vereinbart worden. Zudem würde die Einstandszahlung als Posten für die Gegenrechnung gegen den Ausgleichsanspruch eine unangemessene Kündigungserschwernis darstellen.

 

Das OLG Düsseldorf hat zunächst betont, dass es immer um die entsprechenden Vorteile für die Handelsagentur geht, um eine solche Einstandszahlung rechtfertigen zu können. Dabei ist eine Gesamtbewertung aller Umstände erforderlich. Entspricht die Einstandszahlung einer vollen Jahresprovision, dann müsse die Handelsagentur in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit entsprechend unentgeltlich arbeiten bzw. würde sie erst dann Gewinne generieren, wenn sie mehr als die Jahresprovision des vorherigen Handelsvertreters erwirtschaften würde. Dass die Leistung dabei gestundet war, sei in wirtschaftlicher Betrachtung von Leistung und Gegenleistung nicht relevant.

 

Die Übernahme des Kundenstamms bedeute noch keine Einnahmen in der bisherigen Höhe. Denn die Fluktuation bei einem Vertreterwechsel ist eine nicht zu unterschätzende wirtschaftlichen Größe und die Erzielung von Einnahmen setzt auch bei Bestandskunden einen Einsatz der Handelsagentur voraus.

 

Das OLG hat noch auf weitere, zahlreiche Parameter abgestellt, wie Vertragsdauer, Provisionssatz, Alleinvertretung, Bezirksprovision, Neukundenregelung und Kündigungserschwernis.

 

All diese Punkte führten dazu, dass das OLG Düsseldorf an der Entscheidung festgehalten hat, dass die Einstandszahlung unwirksam ist. Wie das Gericht allerdings selbst sagt, kommt es dabei stets auf eine umfassende Beurteilung sämtlicher Umstände an. Leider kann nicht gesagt werden, dass eine Einstandszahlung unter allen Bedingungen stets unzulässig sei. Im konkreten Fall jedoch war sie das.

 

Generell sollte sich der Handelsagent bei Vertragsabschluss sämtlicher „Modelle“ verwehren, die sich nachteilig auf den Ausgleichsanspruch auswirken können. Tendenziell sehen Geschäftsherren Einstandszahlungen klarerweise nicht zum Vorteil des Handelsagenten vor. Es ist jeder Handelsagentur zu raten, solche Regelungen, wenn diese schon nicht vermeidbar sind, dann wenigstens prüfen bzw. „entschärfen“ zu lassen. Dazu kommt, dass bisweilen – anders als hier – keine Stundung, sondern ein laufender Abzug von den Provisionen erfolgt. Im Nachhinein wäre eine Geltendmachung schon wegen gesetzlicher oder vertraglicher Verfalls- und Verjährungsfristen erschwert oder sogar ausgeschlossen – Vorsorge ist also angebracht.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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