Einführung der Restrukturierungsordnung (ReO) mit dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz

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Pünktlich zum Fristende für die Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU) 2019/1023 beschloss der Nationalrat am 7. Juli 2021 das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRL-UG); kundgemacht am 26. 7. 2021 mit BGBl I 147/2021. Der Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt in der Einführung der neuen Restrukturierungsordnung (ReO; in Kraft seit 17. 7. 2021 gemäß § 38 ReO). Im Gegensatz zum Sanierungsverfahren im Rahmen der IO bietet das neue Restrukturierungsverfahren einige Vorteile.

 

Voraussetzung für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens ist die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners, welche er in seinem Antrag darzulegen hat (§ 6 ReO). Wahrscheinliche  Insolvenz  liegt vor,  wenn der Bestand des Unternehmens des Schuldners ohne Restrukturierung  gefährdet  wäre,  insbesondere  bei  drohender  Zahlungsunfähigkeit;  sie  wird bei Erfüllung der URG-Kennzahlen vermutet, wenn die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt. Dem Antrag sind ein Restrukturierungsplan oder -konzept, ein Finanzplan für die kommenden 90 Tage und die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre beizulegen (§ 7 ReO). Der Restrukturierungsplan kann, wenn zumindest ein Restrukturierungskonzept vorliegt, auch während des Verfahrens binnen 60 Tagen nachgereicht werden (§ 8 Abs 2 ReO).

 

Prinzip und Einschränkungen der Eigenverwaltung

Grundsätzlich soll dem Schuldner bei der Umsetzung seines Restrukturierungsplans die Eigenverwaltung über sein Vermögen erhalten bleiben. Wenn es im Interesse der Gläubiger liegt, kann aber auch eine Zustimmung des Gerichts oder des Restrukturierungsbeauftragten für bestimmte Rechtshandlungen notwendig sein (§ 16 ReO). Ein Restrukturierungsbeauftragter ist vor allem dann zu bestellen, wenn eine Vollstreckungssperre bewilligt wird, die Zustimmung zu einem Restrukturierungsplan nur durch einen klassenübergreifenden Cram-down möglich ist oder wenn der Schuldner oder die Mehrheit der Gläubiger die Bestellung beantragen (§ 9 Abs 1 ReO). Der Restrukturierungsbeauftragte soll den Schuldner auch bei seiner Tätigkeit überwachen und ihn bei der Erstellung des Restrukturierungsplans, falls dieser bei Verfahrenseinleitung noch nicht vorliegt, unterstützen.

 

Vollstreckungs- und Vertragsauflösungssperre

Dem Schuldner steht nach § 19 ReO die Möglichkeit offen, eine Vollstreckungssperre zu beantragen. Dadurch werden, bis zur Erreichung des Restrukturierungsziels, Zwangsvollstreckungen und eine Insolvenzeröffnung wegen Überschuldung ausgesetzt. Die Zahlungsunfähigkeit bleibt aber weiter ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren. Außerdem dürfen die von der Sperre betroffenen Gläubiger Leistungen aus Verträgen nicht verweigern, die Verträge nicht vorzeitig fällig stellen oder kündigen, wenn die Begründung dafür ist, dass der Schuldner seine Forderungen noch nicht beglichen hat (§ 26 ReO). Der Zeitraum der Vollstreckungssperre darf drei Monate nicht übersteigen, kann aber unter gewissen Voraussetzungen auf max. sechs Monate verlängert werden. Während dieser Zeit entfällt auch die an die Überschuldung anknüpfende Haftung gemäß § 84 Abs 3 Z 6 AktG und § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG (§ 25 Abs 1 ReO).

 

Hauptbestandteil – Restrukturierungsplan

Den Kern des Verfahrens bildet der Restrukturierungsplan (§ 27 ReO). Darin sind die aktuelle wirtschaftliche Situation und die vorgeschlagenen Restrukturierungsmaßnahmen darzustellen. Unter Restrukturierung(smaßnahmen) fallen gemäß § 1 Abs 2 ReO Maßnahmen, die auf die Restrukturierung des
Unternehmens des Schuldners abzielen und zu denen die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten oder jedes anderen Teils der Kapitalstruktur des Unternehmens des Schuldners gehört, etwa der Verkauf von Vermögenswerten oder
Geschäftsbereichen und die Gesamtveräußerung des Unternehmens sowie alle erforderlichen operativen Maßnahmen oder eine Kombination dieser Elemente. Vor allem wird darunter aber die Kürzung von Gläubigerforderungen fallen (96/ME 27. GP 1).

In Form einer (allenfalls durch die Annahme des Plans bedingten) Fortbestehensprognose sind die Gründe zu nennen, aus denen die Restrukturierung die Insolvenz verhindern und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sichern soll. Neben weiteren Informationen sind auch sämtliche Gläubiger zu nennen.

Die betroffenen Gläubiger hat der Schuldner in folgende in § 29 Abs 1 ReO genannte Gläubigerklassen einzuteilen:

  • Gläubiger mit besicherten Forderungen
  • Gläubiger mit unbesicherten Forderungen
  • Anleihegläubiger
  • Schutzbedürftige Gläubiger (mit Forderungen unter € 10.000)
  • Gläubiger nachrangiger Forderungen

Eine Pflicht zu dieser Einteilung besteht nicht für KMU (§ 29 Abs 3  ReO; vgl. § 221 Abs 1 UGB).

 

Mehrheiten und Überstimmung einzelner Gläubiger durch Cram-down

Zur Annahme dieses Restrukturierungsplans muss in jeder Klasse die Mehrheit der Gläubiger, die gleichzeitig mindestens 75 % der Forderungen repräsentieren, zustimmen. Wird dieses Kriterium erfüllt, hat das Gericht den Plan zu bestätigen (§§ 33 f ReO). Die Besonderheit der ReO liegt darin, dass die gerichtliche Bestätigung auch dann erteilt werden kann, wenn nicht in jeder Gläubigerklasse die erforderlichen Mehrheiten erreicht werden (§ 36 ReO; „klassenübergreifender Cram-down“). Zu den dafür erforderlichen Voraussetzungen zählt insbesondere, dass der Restrukturierungsplan von der Mehrheit der Gläubigerklassen angenommen wurde (bei nur zwei Klassen reichte die Annahme durch eine).

 

Anteilsinhaber

Die ReO bezieht in bestimmtem Umfang auch Anteilsinhaber (Gesellschafter) in die (beabsichtigte) Restrukturierung mit ein. Diese trifft ein „Obstruktionsverbot“: sie dürfen die Annahme, Bestätigung und Umsetzung des Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren (§ 37 Abs 1 ReO). Umfasst der Plan Maßnahmen, die einer Zustimmung der Anteilsinhaber bedürfen (z.B. Kapitalerhöhung), dann „sind die Bestimmungen des Gesellschaftsrechts zu beachten“, d.h. dass die Gesellschafter die Maßnahme beschließen müssen, ohne dass die ReO in die Autonomie der Gesellschafter eingreift (§ 37 Abs 2 ReO sieht bloß die Unwirksamkeit längerer als der gesetzlichen Einberufungsfristen vor). Nur wenn der Restrukturierungsplan nicht in die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Anteilsinhaber eingreift, so kann eine gesellschaftsrechtlich erforderliche Zustimmung der Anteilsinhaber durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden (§ 37 Abs 1 Satz 3 ReO).

 

Öffentliche Bekanntmachung

Die Verfahrenseröffnung wird grundsätzlich nicht öffentlich bekanntgemacht. Nur wenn der Schuldner dies beantragt, wird es öffentlich bekannt gemacht. In dem Fall handelt es sich um ein „Europäisches Restrukturierungsverfahren“ gemäß § 44 ReO, welches innerhalb der EU anerkannt wird. Dabei kann das Gericht auch eine allgemeine Vollstreckungssperre festlegen, die für alle Gläubiger gilt.

 

Vereinfachtes Verfahren

Sind die betroffenen Gläubiger ausschließlich Finanzgläubiger, besteht die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens, bei dem das Gericht die Bestätigung ohne vorhergehendes förmliches Verfahren erteilt (§ 45 ReO).

 

Anfechtungsschutz in der IO

Gemeinsam mit der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie gab es zudem geringfügige Änderungen in der IO. Nach dem neuen § 36a IO sind von einem Gläubiger bereitgestellte Unterstützungen zur Umsetzung des Restrukturierungsplans (neue Finanzierungen) und solche, die notwendig zur Fortsetzung bzw zum Werterhalt des Betriebes sind (Zwischenfinanzierungen) nicht wegen nachteiligen Rechtsgeschäftes anfechtbar. § 36b IO erklärt Zahlungen, die an Berater oder Arbeitnehmer geleistet werden, für die Aushandlung des Restrukturierungsplans oder im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb anfallen („Transaktionen“) für nicht nach § 31 IO anfechtbar. Beides unter der Voraussetzung, dass dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt war.

 

Änderungen bei der Restschuldbefreiung in der IO

Im Zuge der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie wurde neben der Schaffung der ReO auch das Abschöpfungsverfahren modifiziert. Es ist zwischen einem Abschöpfungsplan für die Dauer von 5 Jahren und einem auf 3 Jahre verkürzten Tilgungsplan zu entscheiden. Allerdings wird hier ein höherer Redlichkeitsmaßstab verlangt. Mit dieser Verkürzung sollen die negativen Auswirkungen der COVID-Pandemie abgeschwächt werden.

 

Autoren:

MMag. Dr. Florian Linder

Dr. Lukas Schenk

 

Link zum Artikel:

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