Kein Ausgleich für Subagenten bei Übernahme der Vertretung (EuGH 13. 10. 2022)

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Bisweilen übernimmt ein Subagent die Vertretung des Hauptagenten. Dabei stellt sich die Frage, ob er dann noch einen Ausgleichsanspruch hat. Dazu liegt nun eine Entscheidung des EuGH vor…

 

Eine belgische Gesellschaft hatte mit einem deutschen Lieferanten einen Handelsagentenvertrag abgeschlossen, der das Exklusivrecht einräumte, die Produkte in Belgien, Frankreich und Luxemburg zu vermitteln. Die belgische Gesellschaft wiederum hat einen Subagenten beauftragt. Nach einigen Jahren haben alle drei Gesellschaften Gespräche mit dem Ziel aufgenommen, dass der Subagent nach der Einstellung der Tätigkeiten des Hauptagenten unmittelbar die Handelsvertretung fortsetzen solle. Diese Gespräche führten zu keinem Ergebnis und die deutsche Gesellschaft kündigte den Handelsvertretervertrag.

 

Nach dem Vertragsende kündigte die belgische Gesellschaft, also der Hauptvertreter den Vertrag mit dem Subagenten. In der Zwischenzeit war dieser bereits neuer Handelsagent des deutschen Lieferanten geworden.

 

Der Subagent hat gegen den Hauptagenten einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht. In erster Instanz war dieser Klage stattgegeben worden. Der Appellationshof Lüttich hingegen hat die Klage abgewiesen, da der Hauptagent keinen erheblichen Vorteil im Sinne der Handelsvertreterrichtlinie hätte. Dass er einen Ausgleichsanspruch vom Lieferanten erhalten hat, sei kein künftiger Vorteil, sondern ein gesetzlich geschuldeter Ausgleich. Zum anderen arbeite der Subagent ja weiter und ziehe damit weiterhin Vorteile aus dem für den früheren Auftraggeber aufgebauten Kundenstock.

 

Der EuGH hat zunächst festgehalten, dass ein vom Lieferanten erhaltener Ausgleichsanspruch für den Hauptvertreter sehr wohl einen erheblichen Vorteil darstellen kann. Insofern wurde der erste Punkt der Begründung des Appellationsgerichts Lüttich nicht geteilt. Der Begriff „erhebliche Vorteile“ im Sinne der Richtlinie umfasst alle Vorteile, die der Lieferant nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses aus den Anstrengungen des Vertreters ziehen kann, einschließlich eines Ausgleichsanspruchs, den er vom Lieferanten erhalten hat (oder erhalten könnte).

 

Im zweiten Punkt hingegen lag das belgische Gericht richtig. Der EuGH hat ausgesprochen, dass die Zahlung eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entspricht. Der spezifische Schaden, den er ausgleichen soll, liegt nicht vor. Der Vertreter verliert seinen Kundenstock nicht. Er tritt ja in eine unmittelbare Beziehung zu dem Lieferanten und setzt diese anstelle des Hauptvertreters fort. Er erleidet also zukünftig durch die Beendigung seines Handelsvertretervertrages mit dem Hauptvertreter keine negativen Folgen. Der Ausgleichsanspruch könne keine Schäden abdecken, die nicht unmittelbar mit dem Verlust von Kundschaft des Handelsvertreters zusammenhängen. Letztlich sei es jedoch Sache des nationalen Gerichts, einen Ausgleichsanspruch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Der EuGH hat hier also in gewisser Weise eine „Hintertür“ aufgemacht. Letztlich wird es aber angesichts dieser Entscheidung für Subagenten sehr schwierig sein, noch einen Ausgleichsanspruch zu erlangen, wenn sie das Vertragsverhältnis zum Lieferanten als neuer Hauptvertreter fortsetzen.

 

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

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