Ist Handelsagent, wer Geschäftskontakte vermittelt? (OLG Hamm 30. 9. 2021)

| Allgemein · Vertriebsrecht

Diese Frage würde man reflexartig wohl mit einem lauten „ja!“ beantworten. Und dennoch ist dies falsch, wie der vorliegende Fall zeigt…

 

Die Tätigkeit einer Handelsagentur ist in der Geschäftspraxis bekanntlich vielfältig. Der klassische Fall ist die Suche potentieller Kunden, deren Akquisition, die laufende Betreuung bis hin zur Übermittlung der entsprechenden Bestellungen. Bisweilen bringen aber Änderungen in der Vertriebsstruktur auch Änderungen in der Tätigkeit der Handelsagentur mit sich, man denke etwa an die Problematik von Filial- und Zentralbestellungen. Auch elektronische, bisweilen automatische Bestellungen tun hier ihr Übriges. Das Bild des Handelsagenten kann sich auch dadurch verändern, dass durchaus Hand in Hand mit einer fortschreitenden Spezialisierung zusätzliche Tätigkeiten übernommen werden (was für die Qualifikation als Handelsagentur noch nicht schädlich wäre). Teilweise geht dies aber Hand in Hand mit einer Reduktion der konkreten Verkaufsbemühungen vor Ort. Dies kann sich nicht nur gegen Ende einer Vertriebsbeziehung stellen, sondern durchaus bereits zu Beginn, wo es „nur“ darum geht, „jetzt einmal den Erstkontakt“ herzustellen.

 

Im konkreten Fall sollte der Kläger für die Beklagte Kontakte zu deutschen Unternehmen aus der Papierindustrie herstellen. Die Beklagte sollte diese Kontakte nutzen und ihrerseits Geschäftsabschlüsse zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen über die Lieferung von Rohstoffen vermitteln. Von den daraus zu erwartenden Provisionen sollte der Kläger eine „Unterprovision“ erhalten. Ein schriftlicher Vertrag, der die beiderseitigen Rechte und Pflichten klar definiert, wurde nicht geschlossen, es wurden aber Vertragsentwürfe ausgetauscht.

 

Der Fall „spielt“ in Deutschland, wäre aber auch nach österreichischem Recht genauso zu sehen.

 

Das Gericht hat zunächst festgehalten, dass der Kläger kein sogenannter Gelegenheitsvermittler war. Dies hat das Gericht verneint, weil „erhebliche wirtschaftliche Interessen“ auf dem Spiel standen. Soweit so gut, das Gericht hat aber in weiterer Folge – meines Erachtens widersprüchlich – festgehalten, dass der Kläger nicht ständig betraut worden sei. Er hätte jederzeit seine Tätigkeit einstellen können, ohne sich damit pflichtwidrig zu verhalten. Schon aus diesem Grund wäre, allerdings zweifelhaft, eine Handelsvertretertätigkeit ausgeschieden.

 

Das Gericht geht aber auch auf einen zweiten, maßgebenden Aspekt ein. Der Kläger hat nur dann Geschäfte wie ein Handelsagent vermittelt, wenn er mittelbar oder unmittelbar auf den Dritten (also den Kunden) einwirkt und dadurch einen Geschäftsabschluss herbeiführt. Der Handelsagent muss also einen konkreten Geschäftsabschluss fördern. Nicht ausreichend ist das bloße Schaffen von Geschäftsbeziehungen, die Kontaktpflege oder auch die bloße Kundenbetreuung.

 

Das Gericht hat auch auf die im Vorfeld ausgetauschten Vertragsentwürfe hingewiesen, die aber nicht zum Vertragsschluss geführt haben. Dort war vorgesehen, dass der Kläger für die Vermittlung einer Kundenbeziehung Provisionsansprüche erwirbt. Die Tätigkeit des Klägers sollte sich also nicht auf der Ebene konkreter Geschäftsabschlüsse abspielen.

 

Der Kläger hat zu seiner Tätigkeit vorgebracht, dass er Preise ermittelt hat und Mitarbeiter zur Durchführung von Untersuchungen aufgefordert hat (welche Untersuchung, wird aus der Entscheidung nicht deutlich). Nach Ansicht des Gerichts waren diese Tätigkeiten des Klägers für die Geschäftsverbindung jedenfalls nicht dergestalt prägend, dass sie den Vertrag in einen Handelsvertretervertrag „verwandelt“ hätten. Selbst die allenfalls punktuelle Hinzuziehung des Klägers zu bestimmten, den Geschäftsabschluss fördernden Tätigkeiten hätte nicht genügt.

 

Das Gericht sah darin also einen (allgemeinen) Geschäftsbesorgungsvertrag. Für dessen Erfüllung steht ein Entgelt zu. Fehlt es an einer vereinbarten oder branchenüblichen Vergütung, ist ihre Höhe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln.

 

Der Kläger wurde also in diesem besonderen Fall nicht als Handelsagent angesehen. Dies bedeutete für ihn, nicht in den Schutzbereich der EU-Handelsvertreterrichtlinie und des nationalen Rechts, das diese umsetzt, zu fallen. Zwingende Ansprüche wie ein Ausgleichsanspruch stehen dann nicht zu. Die gute Nachricht für den Kläger war aber, dass er sehr wohl einen Provisionsanspruch hat, wovon die Parteien ja auch in ihren Vertragsentwürfen ausgegangen waren. Hier greift auch der alte Grundsatz ein, dass ein Kaufmann nicht unentgeltlich tätig wird. Wir hatten an dieser Stelle bereits über ähnliche Fälle berichtet.

 

Ein interessanter Aspekt kommt noch dazu. Es stellt sich die Frage, für wie lange der Vermittler diesen Provisionsanspruch hat: für die Dauer des Bestehens dieses Geschäftsbesorgungsvertrags oder so lange wie die vermittelte Geschäftsbeziehung aufrecht ist? Richtig und vom Gericht auch so ausgesprochen ist Letzteres. Das, was der Vermittler als Ausgleichsanspruch „verliert“, holt er also durch einen weitreichenden und langlebigen Provisionsanspruch sozusagen wieder auf – wenn und soweit die Geschäfte weiterlaufen.

 

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html