Ein Meilenstein: Folgeprovisionen für Dauerverträge (OGH 25. 1. 2022)

| Vertriebsrecht

 

Vermittelt der Handelsagent langfristige Dauerverträge, ist der Anspruch auf Folgeprovisionen besonders interessant. Gerade deshalb versuchen Geschäftsherren immer wieder, diesen auszuschließen. Dazu hat sich nun wieder der OGH geäußert…

 

In unserer Kanzlei hatte ich folgenden Fall zu betreuen: ein Handelsagent war von seinem Geschäftspartner, einer Vertriebsgesellschaft, beauftragt, Energielieferverträge für den Lieferanten zu vermitteln. Die Provisionen sollte der Agent monatlich für die Dauer der Energielieferverträge erhalten. Dies sollte aber nur für die aufrechte Dauer des Agenturvertrags gelten. Mit dessen Beendigung sollten auch die Folgeprovisionen enden.

 

Der Geschäftsherr hat den Agenturvertrag ungerechtfertigt mit sofortiger Wirkung beendet. Strittig war insbesondere der Anspruch auf weitere Folgeprovisionen für die Kundenverträge, die noch 2-3 Jahre liefen. Der Geschäftsherr hat die Provisionsabrechnungen und -zahlungen mit dem Ausspruch der sofortigen Beendigung eingestellt.

 

Wir haben also namens des Klienten Klage auf Buchauszug sowie auf Bezahlung der daraus resultierenden Folgeprovisionen eingebracht. Sowohl die erste Instanz (Handelsgericht Wien) als auch die zweite Instanz (Oberlandesgericht Wien) haben die Klage abgewiesen. Der Kläger sei ja nicht wirtschaftlich von den Provisionen abhängig gewesen, daher konnte er vertraglich wirksam darauf verzichten.

 

In der Vergangenheit hatte sich zum Thema ja bereits einiges ereignet. So hatten wir die Folgeprovisionen für einen Allianz-Versicherungsagenten eingeklagt, der von sich aus gekündigt hatte. Dort hatten wir den Fall in drei Instanzen für uns entschieden, d. h. der Klient hat letztlich einen Buchauszug erhalten; die Angelegenheit wurde sodann verglichen. Der Oberste Gerichtshof hatte in jener Entscheidung festgehalten, dass zumindest für arbeitnehmerähnliche Versicherungsagenten der Grundsatz gilt, dass ein Verzicht auf Folgeprovisionen sittenwidrig ist. Arbeitnehmerähnlich ist ein Vermittler dann, wenn er wirtschaftlich überwiegend von dem betreffenden Geschäftsherrn abhängig ist. Eine solche Provisionsverzichtsklausel benachteiligt den Vermittler einseitig, da der Lieferant (im dort entschiedenen Fall die Allianz) stets daraus den Vorteil und der Vermittler nur den Nachteil hat. Ein solcher Provisionsverzicht ist zudem durch nichts gerechtfertigt.

 

In der Praxis war es seither so, dass Geschäftsherren, die von diesen Ansprüchen betroffen waren, gegenüber (nicht arbeitnehmerähnlichen) Handelsagenten stets argumentiert haben, dass diese Rechtsprechung nicht zur Anwendung kommen würde. Im nun entschiedenen Fall zu dem Handelsagenten, der Energielieferverträge vermittelte, haben auch die erste und die zweite Instanz diese Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht beachtet bzw. für nicht einschlägig gehalten. Der Klient war tatsächlich nicht arbeitnehmerähnlich, da er auch noch andere Geschäftsfelder hatte und von dem betreffenden Geschäftsherrn eben nicht wirtschaftlich abhängig war.

 

Das Kriterium einer wirtschaftlichen Abhängigkeit kann aber für die Frage nicht entscheidend sein, ob eine Klausel einseitig, d. h. schlicht und einfach unfair und damit sittenwidrig ist. Ebenso wenig ist sie für die Frage maßgeblich, ob ein Provisionsverzicht sachlich gerechtfertigt ist oder nicht. Man könnte zwar sagen, dass ein Handelsagent, der auch noch ein anderes maßgebendes Einkommen als die Folgeprovisionen bezieht, den Wegfall derselben „leichter verdauen“ kann als andere. Die Verzichtsklausel ist und bleibt aber einseitig, egal welches anderweitige Einkommen der betreffende Handelsagent hat.

 

Wir mussten also wiederum den Obersten Gerichtshof bemühen. Dieser hat nun, rund acht Jahre nach der damals ergangenen Allianz-Entscheidung, festgehalten, dass unsere stets vertretene Linie richtig war. Der Verzicht des Handelsagenten auf Folgeprovisionen ist sittenwidrig, sei er wirtschaftlich abhängig oder nicht. Es ist nicht maßgebend, wie sehr ihn ein Verzicht auf Folgeprovisionen treffen würde. Denn der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der Vertragsabschluss. Damals stand das Ausmaß der zukünftig entstehenden Folgeprovisionen aber noch gar nicht fest.

 

Dazu kommt, dass eine generelle Verzichtsklausel auch bei unberechtigter vorzeitiger Vertragsauflösung durch den Geschäftsherrn greifen würde. Dieser hätte es damit einseitig in der Hand, dem Handelsvertreter seine Folgeprovisionen zu nehmen. Eine derartige Vereinbarung ist daher als grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Handelsagenten bzw. als krass einseitige Benachteiligung anzusehen und damit sittenwidrig.

 

Bei dieser Gelegenheit hat der Oberste Gerichtshof auch unsere bewährte Formulierung zum Umfang eines Buchauszugs anerkannt und wörtlich übernommen. Auch diesbezüglich gibt es in der Praxis immer wieder (unberechtigte) Einwände.

 

Im weiteren Verfahren ist noch die Höhe der Folgeprovisionen zu klären. Insbesondere kann hier ein (allenfalls geringfügiger) Abschlag für den sogenannten Betreuungsanteil erfolgen. Wie hoch dieser ist, müsste aber die beklagte Vertriebsgesellschaft nach kalkulatorischen Grundsätzen beweisen (in der Praxis hat diesen Beweis noch niemand angetreten; man belässt es auch hier meistens mit pauschalen Einwänden). Auch das weitere Verfahren könnte daher noch in dem einen oder anderen Punkt interessant sein bzw. werden. Wir werden weiter berichten.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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