Vorlage an den EuGH: Ausgleichsanspruch bei Mobilfunkverträgen und Einmalprovision

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Der EuGH ist zum Handelsagentenrecht wieder am Wort. Diesmal geht es um nicht weniger als die zentrale Norm zum Schutz der Handelsagenturen, nämlich den Ausgleichsanspruch für den aufgebauten Kundenstock…

 

Ausgleichsanspruch (auch) für entgangene, zukünftige Geschäfte?

 

Vor den Gerichten in Tschechien ist ein Fall anhängig, in dem die Handelsagentur einen Ausgleichsanspruch für den Bestand an vermittelten Mobilfunkverträgen geltend macht. Dem obersten Gerichtshof sind Zweifel an der eigenen Judikaturlinie entstanden. Demnach komme es nur auf diejenigen Provisionen an, die der Handelsagent bei der Fortsetzung des Agenturvertrags aus bestehenden Verträgen erhalten hätte. Angesichts der deutschen (und österreichischen), entgegengesetzten Rechtsprechung ergeben sich Zweifel, die zur Vorlage führten.

 

Worum geht es dabei? Der Ausgleichsanspruch soll „die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen“ ersetzen. Nun macht es einen deutlichen Unterschied, ob dies nur die bestehenden Verträge umfasst oder auch die diejenigen, die der Handelsagent mit den neu geworbenen oder wesentlich erweiterten Kunden zukünftig vermittelt hätte, wenn die Handelsvertretung fortbestanden hätte.

Nach ständiger österreichischer Rechtsprechung steht der Ausgleichsanspruch auch für die zukünftig entgehenden Geschäfte zu. Die österreichische Praxis ermittelt den Ausgleich deshalb anhand der zukünftig entgehenden Provisionen für Folgegeschäfte (Rohausgleich), dies für die Dauer von regelmäßig 4 bis 5 Jahren nach Ende des Agenturvertrags. Würde es hingegen nur auf den jeweils aktuellen Vertrags- bzw. Geschäftsbestand ankommen, wäre dies nicht erforderlich.

Der Ausgleichsanspruch ist auch nach der Richtlinie 86/653/EWG nicht auf den Provisionsverlust aus denjenigen Geschäften beschränkt, die bei Vertragsbeendigung aktuell bestehen. Dies ergibt sich bereits aus einer wörtlichen Interpretation des Art 17 Abs. 2 lit der Richtline, der von den Vorteilenaus den Geschäften“ mit diesen Kunden spricht bzw. auf den Provisionsverlust „aus Geschäften“ mit diesen Kunden. Eine Einschränkung auf die bereits abgeschlossenen Geschäfte enthält Art 17 gerade nicht. Die Richtlinie spricht dort, wo es auf die bereits zustande gekommenen Geschäfte ankommt, also bei der Provision, vom „abgeschlossenen“ Geschäft (Art 7 und 8).

Dazu kommt, dass Art 17 darauf abstellt, dass der Unternehmer aus den Geschäften mit den betreffenden Kunden „noch erhebliche Vorteile“ zieht. Diese Voraussetzung würde inhaltsleer, würde man nur auf die aktuellen Geschäfte abstellen. Denn dann wäre diese Voraussetzung stets gegeben bzw. wäre umgekehrt nicht vorstellbar, warum der Unternehmer aus den laufenden Geschäften keinen Vorteil ziehen sollte. Auch diese Tatbestandsvoraussetzung zeigt, dass auch auf die zukünftigen Geschäftsfälle abzustellen ist und nicht nur auf die bestehenden.

 

Eine restriktive, wie vom vorlegenden Gericht vertretene Auslegung ließe zudem kaum Platz für einen Ausgleichsanspruch. Denn für die bestehenden, also abgeschlossenen Geschäfte hat der Handelsagent ohnehin einen (teilweise zwingenden) Provisionsanspruch. Die Interpretation nach dem Wortlaut ist also eindeutig.

 

Eine dennoch angenommene Unklarheit wäre nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH aber ohnehin im Sinne der Handelsagenten aufzulösen. Die Handelsvertreter-Richtlinie dient, neben der Harmonisierung des Binnenmarkts, dem Schutz der Handelsagenten (EuGH C-338/14 und C-48/16). Der EuGH hatte bereits in C-348/07 entschieden, dass eine Auslegung im zwingenden Anwendungsbereich der Richtlinie – wie eben dem Ausgleichsanspruch – nicht zum Nachteil der Handelsagenten erfolgen darf. Führt also eine wörtliche bzw. systematische Interpretation zu keinem klaren Ergebnis, ist von den verbleibenden Varianten die handelsvertreterfreundlichste zu wählen. Auch dies spricht dafür, beim Ausgleich nicht (nur) auf den bestehenden Vertragsbestand abzustellen, sondern auch auf die zukünftigen Geschäfte.

 

Man kann, meine ich, zuversichtlich sein, dass der EuGH diese Frage im Sinne der Handelsagenten entscheiden wird.

 

Einmalprovision und Ausgleichsanspruch

 

Das vorlegende, tschechische Gericht zitiert deutsche Judikatur und Literatur, wonach bei der Vereinbarung von Einmalprovisionen keine Provisionsverluste anfallen (können).

 

Nach dem überwiegenden Meinungsstand zum deutschen Recht sind durch die Novelle des § 89b HGB allerdings die Unternehmervorteile in den Vordergrund gerückt. Dem entsprechend könne ein Ausgleich auch bei Einmalprovisionen zustehen. Im Rahmen der sogenannten Billigkeit könne es dann aber zu Korrekturen, also Abschlägen kommen.

 

Die österreichische Rechtsprechung hat bisher zu Einmalprovisionen entschieden, dass kein Ausgleich zusteht (OGH 7 Ob 529/92; 3 Ob 13/05s). Bis dato bestand kein Anlass, die bisherige Rechtsprechung zu hinterfragen. Der österreichische § 24 HVertrG wurde ja nicht geändert, zumal er – wie nun auch § 89b HGB – insofern den Richtlinientext wiedergibt. Anzeichen dafür, dass sich dies ändern könnte, gibt es bisher, abgesehen von vereinzelten Literaturstimmen, nicht.

 

Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Vereinbarung einer Einmalprovision vor dem Hintergrund der Ausgleichsregelung wirksam ist. Möglicherweise trifft der EuGH auch dazu eine explizite Aussage.

 

Sieht man die Vereinbarung einer Einmalprovision als wirksam an, wäre die zweite Vorlagefrage wohl so zu beantworten, dass die Einmalprovision allein einen Ausgleichsanspruch nicht hindern kann. Es ist auf die weiterwirkenden Vorteile des Unternehmers abzustellen. Der Provisionsverlust der Handelsagentur stellt den Regelfall dar und ist daher als ein, aber nicht ausschließliches Billigkeitskriterium genannt. Der Unternehmer kann aber auch ohne einen Provisionsverlust des Handelsagenten über das Vertragsende hinaus weiterwirkende Vorteile aus dem Kundenstock ziehen.

 

Wird dies vom EuGH bestätigt, wäre die bisherige österreichischen Rechtsprechung zu § 24 HVertrG nicht mehr haltbar. Der Entscheidung kommt also auch in diesem Punkt besondere Bedeutung zu; sobald sie vorliegt, werden wir wieder berichten.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html