Nochmals zur Tätigkeit des Handelsagenten: inhaltliches Einbringen erforderlich (OGH 25. 2. 2022)

| Vertriebsrecht

 In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof wieder mit der Frage befasst, ob der Kläger überhaupt als Handelsagent tätig wurde…

 

Wir hatten in den letzten Monaten an dieser Stelle immer wieder über Fälle berichtet, in denen der Begriff des Handelsagenten eine Rolle spielt.

 

Wenn z.B. der Betreffende für ein Unternehmen bloß Kontakte zu deutschen Unternehmen aus der Papierindustrie herstellen sollte, damit dieses Unternehmen dann Geschäftsabschlüsse zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen vermitteln würde, begründet diese Kontaktsuche allein keine Handelsagententätigkeit (so ein deutsches Oberlandesgericht).

 

Umgekehrt ist es für den Begriff des Handelsagenten nach einer EuGH-Entscheidung nicht erforderlich, dass dieser auch Preise verhandelt. In einer weiteren Entscheidung wurde festgehalten, dass eine Handelsagententätigkeit auch dann vorliegen kann, wenn zusätzliche Tätigkeiten übernommen werden (wie die Erarbeitung von Marketingstrategien, Konzepte, technische Zeichnungen etc.).

 

Der EFTA-Gerichtshof ist dieser Linie gefolgt: es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Handelsagent die Bestellungen an den Geschäftsherrn weiterleitet. Auch ohne dies mitzuerledigen, kann er als Handelsagent anzusehen sein.

 

Immer wieder wird im Nachhinein die Rolle des Agenten diskutiert. Unternehmen versprechen sich durchaus viel davon, eine rechtliche Diskussion „an der Wurzel zu packen“ und gleich einmal zu bestreiten, dass Handelsvertreterrecht zur Anwendung kommt. Dies soll sie diverser zwingender Ansprüche einer Handelsagentur entledigen, wie zwingender Provisionsansprüche, eingehender Kontrollrechte (Buchauszug), zwingender Mindestkündigungsfristen und vor allem natürlich des Ausgleichsanspruchs für den vom Agenten aufgebauten Kundenstock.

 

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger den Kontakt zu einem ausländischen Kunden hergestellt und die laufende Kontaktpflege übernommen, also Essenseinladungen organisiert, Provisionszahlungen an „Kontaktmänner“ des Kunden weitergeleitet (!?), Besuche beim Kunden organisiert und bei den Vertragsverhandlungen übersetzt.

 

Nach der Definition des OGH ist Handelsagent, wer mit dem Vertragspartner verhandelt. Er erkundet dessen Stimmung, informiert und berät ihn und wirkt auf ihn ein und macht ihm das Angebot schmackhaft, indem er „fördernde Vorstellungen erweckt und bekräftigt und hemmende beseitigt oder entkräftet“.

 

Er muss sich also in einer fördernden Form in die Vertragsverhandlungen inhaltlich einbringen. Gerade das hatte der Kläger im vorliegenden Fall nicht getan. Bei den Vertragsverhandlungen zwischen Kunde und Geschäftsherr hat er bloß übersetzt. Eine Tätigkeit als Handelsagent wurde also verneint.

 

Die Grenzen sind wie immer leichter abstrakt beschrieben als in der Praxis konkret angewandt. Es gibt hier bisweilen Abgrenzungsschwierigkeiten und auch gewisse „Mischformen“, in denen die allgemeinen Tätigkeiten wie Übersetzungen, Weiterleiten von Anfragen, Kontaktherstellung und -pflege überwiegen, aber dann doch hie und da, nämlich dort wo erforderlich, ein inhaltliches Einwirken erfolgt. Solche Grenzfälle können sich in der Praxis durchaus stellen. Es wird dann wohl nicht nur auf die Frage ankommen, welche Tätigkeiten tatsächlich geleistet wurden, sondern auch, was dazu vereinbart war – was durchaus Hand in Hand gehen kann.

  

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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