Konkurrenzverletzung 4 Tage vor dem Vertragsende? (BGH 7. 10. 2020)

| Vertriebsrecht

Der Handelsagent unterliegt bekanntlich einem Konkurrenzverbot. In so manchem Fall stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Verstoß vorliegt bzw. ob dieser als nur geringfügig einzustufen ist. Oft wird ein (bisweilen vermeintlicher) Verstoß „zufälligerweise“ erst im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung „entdeckt“. Über einen solchen Fall hatte der deutsche BGH zu entscheiden…

 

Im konkreten Fall hatte der Handelsagent die Vertretung der Herrenprodukte einer bestimmten Marke inne und unterlag diesbezüglich einem Wettbewerbsverbot. Das Handelsagentenrecht (hier gilt für das deutsche dasselbe wie für das österreichische) sieht bekanntlich schon vom Gesetz her ein Konkurrenzverbot vor. Davon war der Handelsagent im Vertrag nicht entbunden worden. Damenprodukte hingegen waren vom Wettbewerbsverbot ausgenommen.

 

Der Geschäftsherr hatte den Vertrag zunächst ordentlich, d.h. unter Einhaltung der Kündigungsfrist, zum 31. Juli gekündigt. Mit Schreiben vom 27. Juli, also nur vier Tage zuvor, hat er fristlos wegen eines Wettbewerbsverstoßes gekündigt. Der Kläger hat nämlich die Damenserie eines anderen Unternehmens vertreten. Das wäre zwar noch kein Problem gewesen. Es gab jedoch einen einheitlichen Verkaufskatalog und damit musste er bei den Kunden auch Preislisten und Produktpräsentationen der Männerserie vorlegen. Genau darin sah der Geschäftsherr einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot und verweigerte die Bezahlung eines Ausgleichsanspruchs in der Höhe von immerhin € 67.000.

 

Das in erster Instanz zuständige Landgericht Stuttgart hat betont, dass zwar nur noch wenige Tage bis zum Fristablauf gewesen sind. Der Kläger hat wohl keine Provisionen für Geschäfte über die Männerserie erhalten. Dennoch sei dem Geschäftsherrn die Weiterführung des Vertrages nicht zumutbar gewesen. Eine Abmahnung war nicht erforderlich, weil es sich um eine schwerwiegende Vertragsverletzung gehandelt hat. Der Ausgleich war damit verloren.

 

Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Ausgleich verwehrt. Es hat zwar festgehalten, dass von den vier Tagen zwei auf das Wochenende entfallen waren. Ob ein Grund für die fristlose Auflösung vorliegt, sei nach Art, Schwere und Dauer der Vertragsverletzung, der Vorgeschichte, der vermögensrechtlichen Folgen für den Gekündigten (dies auch im Vergleich zur ordentlichen Kündigung), Art und Dauer der bisherigen Zusammenarbeit, den bisherigen Leistungen etc. zu beurteilen.

 

Diese Kriterien hat das Oberlandesgericht zwar genannt; in der weiteren Entscheidung wird aber nicht deutlich, ob und inwiefern hier eine Abwägung vorgenommen wurde. Denn das Ergebnis war zulasten des Handelsagenten schnell klar: es bestünde nämlich ein „Erfahrungssatz“, wonach eine ungenehmigte Konkurrenztätigkeit das Vertrauensverhältnis regelmäßig erheblich beschädigt, so dass eine Fortsetzung auch nur für die kurze Zeitspanne nicht zumutbar ist.

 

Dann zwar eine Einschränkung: sollte der Wettbewerbsverstoß geringfügig sein, wäre eine fristlose Kündigung nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Die Aushändigung von Katalogen und Preislisten der vom Konkurrenzunternehmen vertriebenen Damenserie stellt aber einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar, weil in diesen Unterlagen unstrittig auch die Männerserie enthalten war. Konkurrenztätigkeit sei schließlich jede Handlung, wenn sie mittelbar oder unmittelbar die Interessen eines Konkurrenten stärkt. Sie liegt auch nicht erst bei Vertrieb (also bei Erhalt von Provisionen) des Konkurrenzprodukts vor, sondern bei jeder sonstigen Hilfeleistung und Unterstützung des Wettbewerbers und seines Produkts. Für das schuldhafte Verhalten reicht fahrlässiges Handeln aus. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen.

 

Und auch dass der Vertrag ohnehin vier Tage später abgelaufen wäre, ändert daran nichts. Dem Geschäftsherrn sei eine Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses auch für den extrem kurzen Zeitraum nicht zumutbar. Dies gilt umso mehr als die Dauer des Vertragsverhältnisses mit knapp 15 Monaten relativ kurz war. Der Wettbewerbsverstoß sei „eher nachhaltig und auf Dauer angelegt“ gewesen und gerade dauerhafte Verstöße machen eine vorherige Abmahnung entbehrlich.

 

Diese Entscheidung wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) insofern bestätigt als die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 7. Oktober 2020 zurückgewiesen wurde. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

 

 

Diese Entscheidung ist ohne weiteres auf österreichisches Recht übertragbar (d. h. sie könnte auch von österreichischen Gerichten jederzeit so entschieden werden). Sie zeigt (leider wieder einmal), dass das Wettbewerbsverbot von den Gerichten streng gehandhabt wird. Wir sprechen davon, dass der Handelsagent einen Katalog präsentiert hat und dabei offensichtlich nur Werbung für die Damenlinie gemacht hat. Für die Geschäfte mit der Männerlinie hat er offenbar gar keine Provision erhalten. Der Geschäftsherr, der dies gerade noch rechtzeitig entdeckt hat und dann möglicherweise erst nach Einholung juristischen Rats „noch rasch“ vor dem Vertragsende (nämlich vier Tage zuvor, zwei davon ein Wochenende) gekündigt hat, wird im Ergebnis für seine rasche Reaktion belohnt. Er erspart sich hier schlicht und einfach die Ausgleichszahlung, weil der Handelsagent – diesen Vorwurf muss man ihm bzw. er sich selbst leider machen – nicht vorsichtig genug war.

 

In der Praxis ist zu beobachten, dass die Frage des Konkurrenzverbots, dessen Reichweite, Handhabung, auch die Möglichkeiten einer abweichenden Vereinbarung mit dem Geschäftsherrn, immer wieder für Probleme sorgen. Die Handelsagentenszene schenkt diesem Punkt oftmals leider zu wenig Aufmerksamkeit.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

siehe auch die bisherigen Beiträge unter: https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html