Ausgleichsanspruch auch wenn der Agenturvertrag während einer „Probezeit“ beendet wird (EuGH 19. 4. 2018 C-645/16)

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Nach französischem Recht ist es möglich, in Agenturverträgen eine Probezeit zu vereinbaren. Die französische Rechtsprechung geht davon aus, dass der Agenturvertrag dann „noch nicht endgültig abgeschlossen“ worden wäre – sozusagen ein Vertrag unter Vorbehalt.

Im vorliegenden Fall war wieder eine solche Konstellation zu beurteilen. Die Vertragsteile hatten eine Probezeit von 12 Monaten vereinbart. In diesem Zeitraum sollte der Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekündigt werden können. Nach ungefähr einem halben Jahr hatte der Geschäftsherr den Vertrag wegen mangelnder Zielerreichung gekündigt. Eine Ausgleichszahlung wurde verweigert.

Mit der Vereinbarung der Probezeit an sich hat sich der EuGH nicht allzu lang aufgehalten. Er hat gemeint, diese könne vereinbart werden, wenn dadurch nicht die volle Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigt werde. Im vorliegenden Fall war dies ja auch nicht der Fall, da die Vertragsteile die – im ersten Vertragsjahr – zwingende Kündigungsfrist von einem Monat ohnehin beachtet hatten (aus diesem Grund ist ein solche Regelung mit unserem herkömmlichen Verständnis einer Probezeit gar nicht in Einklang zu bringen, bedeutet Probezeit etwa im arbeitsrechtlichen Sinn, dass der Vertrag innerhalb dieser jederzeit aufgelöst werden kann). Dies zeigt umso mehr, dass der Sinn dieser Probezeit ausschließlich darin bestand, bei Auflösung um den Ausgleichsanspruch (vermeintlich) herumkommen zu können.

Dem entsprechend hat der EuGH den Schutz des Handelsagenten durch die Richtlinie aus dem Jahr 1986 betont. Er stellt dazu auf den Wortlaut der Richtlinie ab, nämlich auf die für einen Ausgleichsanspruch relevanten Ausschlussgründe. In denen wird eine Probezeit nicht erwähnt. Die Richtlinie führt diesbezüglich etwa eine unbegründete Eigenkündigung durch den Agenten an, aber eben nicht die Vereinbarung einer Probezeit. Ließe man dadurch den Ausschluss des Ausgleichs zu, liefe dies dem Schutzzweck der Richtlinie zuwider.

Insgesamt ist damit die Position der Handelsagenten – insbesondere bei der Anwendung französischen Rechts, aber auch insgesamt – weiter gestärkt worden.

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter