Rechtsinfos und Praxistipps zum Vertriebsrecht – 2017

No Tags | Allgemein · Vertriebsrecht

Superprovisionen auch für Folgegeschäfte nach Vertragsende (OLG Wien 28. 6. 2016)

 

Ein slowakisches Unternehmen hat für eine österreichische Bank Vertriebspartner in osteuropäischen Staaten gesucht. Diese sollten Goldverkäufe an Kunden vermitteln. Weitere Aufgaben hatte dieses Unternehmen nicht. Ein schriftlicher Vertrag wurde verhandelt, aber nicht unterschrieben. Das Unternehmen (Klägerin) konnte mehrere Vertriebspartner akquirieren und es kam auch zu Goldverkäufen. Die Bank zahlte Provisionen und übermittelte Abrechnungen. Nach rund drei Jahren kündigte die Bank die Zusammenarbeit und stellte die Provisionszahlungen ein. Die Klägerin machte Provisionsansprüche für die – nach Vertragsende stattgefundenen – Goldverkäufe an diejenigen Kunden geltend, die von den Vertriebspartnern akquiriert wurden, die von der Klägerin während aufrechter Dauer vermittelt worden waren.

 

Die Gerichte gaben der Klage statt: die Kündigung lässt noch nicht den weiteren Provisionsanspruch entfallen. Die einzige Verpflichtung der Klä-gerin war die Akquise der Vertriebspartner. Ohne anderslautende Vereinbarung sind die Superprovisionen für daraus resultierende Geschäfte mit den Endkunden weiterhin zu bezahlen. Die Klägerin hat ihre Leistung vor der Kündigung erbracht und begehrt nun deren (weiter laufende) Entlohnung.

 

Das bedeutet für die Praxis, dass Superprovisionen für die bloße Vermittlung von Vertriebspartnern auch nach der Beendigung der Zusammenarbeit weiterhin zu bezahlen sind, außer es wurde anderes vereinbart. Dabei ist aber zu beachten, ob und wie weit diese Provisionen wirksam ausgeschlossen werden können (dazu ist jüngst Rechtsprechung zu Finanzdienstleistungsberatern und Versicherungsagenten ergangen).

 

Neukunde ist der, der die Kaufentscheidung trifft (OLG Wien 27. 4. 2016)

 

Der Agent hatte Stelleninserate vermittelt. Manche Kunden haben über Personalagenturen geschalten. Es stellte sich die Frage, ob die Agentur oder der Endkunde als Alt- oder Neukunde (Ausgleichsanspruch) anzusehen waren.

 

Kunde ist grundsätzlich der Vertragspartner oder ein Dritter, falls dieser die Kaufentscheidung bestimmt. Das Gericht musste also feststellen, ob die Kaufentscheidung vom Endkunden oder von der Agentur getroffen wurde und ob diese jeweils Neukunden sind, die der Handelsagent geworben hat. Dieser Aspekt ist auch in anderen Branchen beachtlich (Planer, Architekten, Bauträger; bei Baumärkten, Reformhäusern, Drogisten wiederum ist ein Zentraleinkauf zu beachten).

 

Gesundheitsbeeinträchtigung erst nach 26 Wochen (OLG Wien 21. 7. 2016)

 

Der Handelsagent kann auch bei Selbstkündigung einen Ausgleichsan-spruch haben, wenn er wegen Krankheit kündigt. Die Arbeitsunfähigkeit muss aber voraussichtlich über 26 Wochen andauern. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung abzustellen.

 

Umfang des Buchauszugs und Kosten (OGH 24. 6. 2016)

 

Finanzdienstleister: Der Buchauszug hat auch die Stornogründe (auch hin-sichtlich der Stornoreserve) zu enthalten. Bei einer Stufenklage steht ein Kostenersatz schon für das Teilurteil über den Buchauszug zu.

 

Umsatzrückgang durch Konkurrenz ist kein begründeter Anlass (OGH 18. 8. 2016)

 

Ein begründeter Anlass zur (ausgleichserhaltenden) Selbstkündigung muss aus der Sphäre des Geschäftsherrn stammen. Eine (nach 15 Jahren) in der Nähe neu eröffnete Konkurrenztankstelle ist kein solcher Umstand – dies zumal die Klägerin erst 2 Jahre danach kündigte (und Hauptgrund dafür eine an der eigenen Station geplante Shop-Umstellung war).

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Weitere Infos und Rechtstipps unter

https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/Handelsagenten/Startseite_-_Handelsagenten__Bundesgremium.html