Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GesbR) können in verschiedenen Ausprägungen auftreten, sei es als ARGE im Bauwesen, Syndikatsverträge, Kreditkonsortien, Familienunternehmen oder gemeinsamer Hausbau durch Lebensgefährten. Die Regelungen des ABGB über die GesbR (§§ 1175 ff ABGB) beruhten bisher zum größten Teil noch auf der Stammfassung des ABGB aus dem Jahr 1811. Schon seit längerem wurde erkannt, dass die Regelungen veraltet und unvollständig sind. Die Weiterentwicklung des GesbR-Rechts durch Rechtsprechung und Lehre hat zu einer Entfernung vom Gesetzestext geführt. Der Gesetzgeber hat nun – nach längeren Vorarbeiten – eine umfassende Reform der GesbR beschlossen (BGBl. I Nr. 83/2014). Die §§ 1175 bis § 1216e ABGB werden vollständig neu gefasst. Die Änderungen wurden am 22.10.2014 im Nationalrat beschlossen und treten mit 1.1.2015 in Kraft. Der folgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über die wesentlichen Änderungen.
In ihren Wesensmerkmalen soll die GesbR unverändert bleiben. Sie ist der Zusammenschluss von zwei oder mehreren Personen durch Vertrag, um durch eine bestimmte Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen (§ 1175 Abs 1 ABGB). Die GesbR ist nicht rechtsfähig (§ 1175 Abs 2 ABGB). Die gesetzlichen Regelungen sind – wie bisher – weitgehend dispositiv und ermöglichen weite Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschafter. Mangels gesellschaftsvertraglicher Regelung erhöhen die neuen, detaillierten Bestimmungen jedenfalls die Rechtssicherheit.
Die neuen Bestimmungen erheben über die Regelung der Rechtsverhältnisse der GesbR hinaus den Anspruch, eine Auffangfunktion zu erfüllen, als sie subsidiär zur Auffüllung von Lücken im rechtlichen Regime anderer Gesellschaftsformen heranzuziehen sind (§ 1175 Abs 4 ABGB). Dies mit der Einschränkung, dass die Bestimmungen unter Berücksichtigung der für die jeweilige Gesellschaft geltenden Grundsätze angemessen sind. Diese Auffangfunktion ist im Gesetz wohl notwendigerweise eher unbestimmt formuliert und wird der Konkretisierung durch Lehre und Rechtsprechung bedürfen. Ausprägungen zeigen sich beispielsweise in der ausdrücklichen Regelung der actio pro socio in § 1188 ABGB oder der Pflicht zur Interessenwahrung und Gleichbehandlung in § 1186 ABGB.
Trennlinie: Innen- vs. Außengesellschaft und unternehmerische Tätigkeit
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der neuen GesbR-Regelungen trifft der Gesetzgeber zwei Grundentscheidungen. Einerseits ist (wie bisher) zu unterscheiden, ob das Gesellschaftsverhältnis nur zwischen den Gesellschaftern Rechtswirkungen entfalten soll (Innengesellschaft), oder ob die GesbR auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten auftreten soll (Außengesellschaft). Beispielsweise gelten die Regelungen über die Vertretung und Haftung nur für gemeinschaftlich im Rechtsverkehr auftretende Außengesellschaften.
Ferner ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft unternehmerisch tätig ist oder nicht. Für unternehmerisch tätige GesbR gelten bestimmte Sonderregelungen z.B. gilt diese im Zweifel als Außengesellschaft (§ 1176 Abs 1 Satz 2 ABGB), greift gemäß § 1187 ABGB auch das Wettbewerbsverbot der §§ 112, 113 UGB und besteht gemäß § 1197 Abs 2 ABGB eine besondere Vertretungsregelung (Vertretungshandlungen gelten gegenüber allen Gesellschaftern selbst bei mangelnder Vertretungsbefugnis, wenn der Dritte den Mangel weder kannte noch kennen musste).
Geschäftsführung und Vertretung
Das Innenrecht der GesbR wurde weitgehend dem Recht der OG nach dem UGB angenähert. So gilt Einzelgeschäftsführung für gewöhnliche Geschäfte, wobei die anderen Gesellschafter ein Widerspruchsrecht haben. Außergewöhnliche Geschäfte bedürfen hingegen der Einstimmigkeit. An das OG-Recht angelehnt sind auch die Regelungen der Gewinn- und Verlustberechnung, Ausschüttung und Entnahmen.
Im Außenverhältnis reicht das Vertretungsrecht der Gesellschafter grundsätzlich so weit wie die Geschäftsführungsbefugnis (§ 1197 Abs 1 ABGB). Im Zweifel ist hat daher jeder zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter Einzelvertretungsbefugnis (270 BlgNR 25. GP 16). Gesellschafter einer Außen-GesbR haften grundsätzlich unbeschränkt und solidarisch für die gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten (§ 1199 Abs 1 ABGB).
Neue Wege bei …
… Eintritt, Ausscheiden oder Wechsel von Gesellschaftern
Im 4. und 5. Abschnitt der Reform beschreitet der Gesetzgeber neue Wege. So regelt § 1201 ABGB den Rechtsübergang bei Eintritt oder Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei einem Gesellschafterwechsel. Die gesellschaftsbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse gehen dabei auf den eintretenden oder auf die verbleibenden Gesellschafter über (Gesellschafternachfolge). Dies betrifft beispielsweise Miteigentumsanteile an körperlichen Sachen oder Beteiligungen an schuldrechtlichen Positionen (z.B. gesellschaftsbezogene Forderungen, die als Gesamthandforderungen anzusehen sind). Der Rechtsübergang erfolgt bereits mit Wirksamkeit des Grundgeschäfts, eigene Verfügungsgeschäfte sind nicht erforderlich (270 BlgNR 25. GP 19). Dies mit Ausnahme von bücherlichen Rechten, deren Übertragung die Intabulation voraussetzt (§ 1201 Abs 2 ABGB). Auch Vertragsverhältnisse gehen über, wobei der Vertragspartner analog § 38 UGB ein Widerspruchsrecht binnen 3 Monaten ab Verständigung hat. Den ausscheidenden Gesellschafter trifft eine Nachhaftung analog § 39 UGB (§ 1202 Abs 2 ABGB).
… Umwandlung in OG oder KG
1206 ABGB ermöglicht die Umwandlung der GesbR in eine OG oder KG. Das der Gesellschaft gewidmete Vermögen wird dabei nach der gesetzlichen Konzeption in die OG/KG eingebracht und geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Gesellschaft über. Die Gesamtrechtsnachfolge erfasst nur das der Gesellschaft gewidmete Vermögen, das die Gesellschafter in einem Vermögensverzeichnis anzuführen haben (§ 1206 Abs 3 ABGB). Die Übertragung von bücherlichen Rechten bedarf allerdings der Eintragung im Grundbuch.
Die Anordnung der Gesamtrechtsnachfolge erleichtert eine Umwandlung der GesbR in eine OG oder KG (die bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte gemäß § 8 Abs 3 UGB verpflichtend ist) u.E. wesentlich. Kritisch zu hinterfragen ist, weshalb ein außerbücherlicher Rechtserwerb im Gegensatz zu anderen Fällen gesellschaftsrechtlicher Umgründungen mit Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Verschmelzung oder Spaltung) ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Materialien rechtfertigen dies mit dem Schutz des Vertrauens Dritter auf den Grundbuchstand. Dieses Argument gilt jedoch bei allen Fällen außerbücherlichen Rechtserwerbs. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung könnte u.E. allenfalls darin erblickt werden, dass bei der GesbR (mangels eigener Rechtspersönlichkeit) schon die Zugehörigkeit bücherlicher Rechte zum Gesellschaftsvermögen für den Rechtsverkehr nicht ohne weiteres ersichtlich sein muss und der Vertrauensschutz auf die Grundbuchspublizität daher stärker wiegt als die Erleichterung der Umgründung.
Beendigung der GesbR
In den §§ 1208 ff ABGB sind die Auflösungsgründe geregelt. Ein Gesellschafter kann aus wichtigem Grund gemäß § 1213 ABGB vom Gericht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Verbleibt nur ein Gesellschafter, geht das Vermögen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über (§ 1215 ABGB). Neu und detailliert geregelt ist die Liquidation (§§ 1216a bis 1216e ABGB).
Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
Die neuen Bestimmungen gelten ab 1.1.2015. Für bestehende GesbR gelten bestimmte Vorschriften erst ab 1.7.2016, sofern nicht auf die Beibehaltung des zuvor geltendes Recht optiert wird („opt out“ gemäß § 1503 Abs 5 Z 2 ABGB). Dieses „opting out“ wird durch Erklärung eines Gesellschafters gegenüber den übrigen Gesellschaftern, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen, ausgeübt. In diesem Fall gelten diese neuen Bestimmungen ab 1.1.2022.
Fazit
Insgesamt ist die Reform der GesbR u.E. als durchaus gelungen anzusehen. Die bisher veralteten und rudimentären Bestimmungen werden durch ein zeitgemäßes und detailliertes Regelungsmodell abgelöst. Durch die Orientierung an den bewährten OG-Regelungen kann bei Auslegungsfragen grundsätzlich (unter Beachtung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtsformen) auf die Judikatur und Lehre zum 2. Buch des UGB zurückgegriffen werden. Dennoch werden wohl manche der Neuregelungen, die bisher im GesbR-Recht ohne Vorbild sind, z.B. der Rechtsübergang beim Gesellschafterwechsel, noch der konkretisierenden Auslegung durch Lehre und Gerichte bedürfen.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Lukas Schenk / Dr. Florian Linder