Eine neu gegründete GmbH hat keine Altkunden

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Eine neu gegründete GmbH hat keine Altkunden – auch nicht, wenn sie den Kundenstock der insolventen Vorgängergesellschaft vom Insolvenzverwalter kauft (OLG Linz 4. 9. 2014)

In einer jüngst ergangenen Entscheidung haben die österreichischen Gerichte erstmals zu einer wichtigen Frage Stellung genommen und Rechtssicherheit zugunsten der Handelsagenten hergestellt.

Was war geschehen? Ein österr. Handelsagent hatte für einen deutschen Lieferanten zahlreiche Stammkunden aufgebaut. Dieser Lieferant ging in Insolvenz, während dessen ein Fortbetrieb erfolgte. Ein Interessent hat über eine neu gegründete GmbH die Vermögensbestandteile wie Markenrechte, Kundenstock etc. vom Insolvenzverwalter gekauft und nahtlos weiter gemacht. Den Handelsagenten hat er zu den „alten“ Konditionen übernommen.

Nach rund einem Jahr hat dieser Erwerber / Nachfolger seinerseits das Unternehmen an die Konkurrenz verkauft; der Handelsagent wurde gekündigt.

Der Handelsagent hat, unterstützt durch unsere Kanzlei, seinen Ausgleichsanspruch gegen den Erwerber geltend gemacht. Wir haben dies damit begründet, dass jene GmbH zuvor keine Kunden hatte und auch nicht gehabt haben konnte. Der Erstrichter am LG Salzburg sah dies anders: die Nach-folgegesellschaft hätte die Kunden ja „erworben“; der Agent hätte keine neuen Kunden akquiriert, sondern nur den gekauften Kundenstock betreut.

Die Berufungsinstanz hat dies nun korrigiert: die Erwerber-GmbH wurde neu gegründet, war zuvor nicht am Markt tätig und konnte daher keine Kunden gehabt haben. Der Handelsagent ist, was den Erwerber anlangt, „Mann der ersten Stunde“ – ihm kommt eine Beweiserleichterung zugute, wonach er es war, der die Kunden nun für die neue GmbH akquirierte.

Das Verfahren wurde zwar an die erste Instanz zurück verwiesen; die Chancen des Handelsagenten haben sich aber deutlich erhöht, der Ball liegt jetzt bei der beklagten GmbH. Ich werde weiter berichten…

Voraussetzungen der Rückforderung von „Provisionsvorschüssen“ (OGH 24. 3. 2014 und 29. 4. 2014)

In zwei neuen Entscheidungen zu Finanzdienstleistern hat der OGH dargelegt, unter welchen Voraussetzungen „Provisionsvorschüsse“ zurück verlangt werden können – wichtig auch für alle übrigen Handelsagenten!

Es kommt darauf an, ob es sich um einen nach zwingendem Recht bereits entstandenen Provisionsanspruch handelt. Hat der Agent den Vertrag vermittelt und der Kunde hat (zumindest anteilig) bezahlt, steht zwingend ein Provisionsanspruch (anteilig) zu. Der Geschäftsherr (GH) kann den Anspruch nicht von einer Stornohaftungszeit abhängig machen.

Verlangt der GH Provisionen zurück, muss er Folgendes darlegen:

  • die „Vorschussfälle“ (z.B. gänzliche Nichtausführung von Verträgen) im Gegensatz zu den bereits entstandenen Provisionen (Stornofälle und nachträgliche prämienrelevante Vertragsänderungen inkl. der Info wann durchgeführt),
  • in welchem Ausmaß und in welchem Verhältnis zur gezahlten Provision die Partnergesellschaft die Provision gekürzt hat (wichtig für die Stornoquote), und ob die Provision in diesem Umfang tatsächlich an die Partnergesellschaft zurückgezahlt wurde,
  • welche Provision der Agent aus dem jeweiligen Geschäftsfall erhalten hat,
  • welcher Rückforderungsbetrag sich aus der Stornoquote ergibt, sowie
  • dass die Gründe für das Storno oder die Vertragsänderung nicht der Sphäre des GH (bzw. der Produktgesellschaft) zuzurechnen sind (insb. dass bei Stornogefahr ordentlich nachbearbeitet wurde oder dass zumindest der Agent informiert wurde,
  • bei Zahlungsverzug des Kunden, dass der GH (bzw. die Produktgesellschaft) alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um den Kunden zur Leistung zu veranlassen.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter