Corona Virus – ausgewählte Rechtsfragen

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Die potentielle Ausbreitung des Corona Virus (SARS-CoV-2) und die damit einhergehenden Maßnahmen wie Quarantänen, Beschränkungen des Flugverkehrs, Schließung von Schulen und Kindergärten, werden – abhängig von der weiteren Entwicklung – nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die (Welt-)Wirtschaft haben.

 

Aufgrund der vernetzten Handelsbeziehungen mit globalen Lieferketten sind bzw. werden auch österreichische Unternehmen davon betroffen sein. Rechtliche Konsequenzen sind etwa bei Lieferverzögerungen, Liefer- und Produktionsausfällen sowie im Zusammenhang mit der Beschäftigung (Stichworte: Home-Office, „ZeitpolsterMaßnahmen“) zu erwarten. Insbesondere vereinbarte
Pönalen“ verursachen Unbehagen. Für den Unternehmer stellen sich diese Fragen naturgemäß nicht nur gegenüber seinen Lieferanten bzw. Zulieferern, sondern – im Fall von Lieferketten – auch gegenüber seinen eigenen Kunden bzw. Abnehmern.

 

Der Newsletter widmet sich ausgewählten rechtlichen Fragen zu diesem Thema im B2B-Bereich und soll dem Unternehmer einen praktischen Leitfaden für eine erste Einschätzung geben.

 

Nach welchem Recht sind Lieferverzögerungen bzw. -ausfälle zu beurteilen?

 

Im Fall von internationalen Geschäftsbeziehungen stellt sich regelmäßig die Vorfrage des anwendbaren Rechts. Dieses ergibt sich zunächst aus der Vereinbarung mit dem jeweiligen Geschäftspartner (Rechtswahl). Mangels Rechtswahl gilt bei Kauf- und Dienstverträgen das Recht des Staates, in dem der Verkäufer bzw. der Dienstleister seinen Sitz hat. Hat der Verkäufer also beispielsweise seinen Sitz in Italien, gilt italienisches Recht.

 

Bei Kaufverträgen über Waren ist auch das UN-Kaufrecht zu beachten, wenn der Kaufvertrag zwischen Parteien in Vertragsstaaten dieses Abkommens abgeschlossen wurde oder das Recht eines Vertragsstaates zur Anwendung kommt (zB vereinbart wurde). Vertragsstaaten sind im Wesentlichen alle Industriestaaten, insbesondere auch China, Südkorea und Vietnam. Praxistipp:
Prüfen Sie, welches Recht vereinbart wurde (im Angebot, im Vertrag, allenfalls auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

 

Was tun bei einer Lieferverzögerung?

 

Leistet der Lieferant nicht rechtzeitig zum vereinbarten Fälligkeitstermin, so gerät er in Verzug (objektiver Verzug). Der Käufer hat mit dem Eintritt des Verzugs das Recht, unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzustellen (zB bereits bezahlter Kaufpreis). Diese Verzugsfolgen treten verschuldensunabhängig
ein.

 

Trifft den Lieferanten am Verzug ein Verschulden (subjektiver Verzug), so kann er gegenüber dem Käufer überdies schadenersatzpflichtig werden. Lieferverzögerungen, die unmittelbar auf die epidemieartige Ausbreitung des Corona Virus zurückzuführen sind, wie z.B. Quarantäne oder der Ausfall von Flugverbindungen, können dem Lieferanten regelmäßig nicht zugerechnet werden und stellen mit großer Wahrscheinlichkeit höhere Gewalt dar (zur mangelnden Vorhersehbarkeit siehe z.B. OGH SZ 23/47; P. Bydlinski in KBB5 § 921 Rz 3). Verschulden kann allerdings vorliegen, wenn die Lieferverzögerung bereits vorhersehbar war.

 

Bei Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts kann der Käufer nach Setzung einer angemessenen Nachfrist ebenfalls vom Vertrag zurücktreten. Der Käufer kann hier verschuldensunabhängig Schadenersatz verlangen; der Verkäufer haftet allerdings nicht, wenn der Verzug auf einem außerhalb seines Einflussbereiches liegenden und nicht vorhersehbaren Hinderungsgrund beruht.

 

Sonderfall Vertragsstrafe („Pönale“)

 

Eine „Pönale“ (pauschalierter Schadenersatz) muss vertraglich vereinbart werden. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, für welche Fälle die Pönale nach dem Vertrag gelten soll (z.B.
Lieferverzögerungen). Im Zweifel ist eine Pönale nur bei Verschulden zu zahlen (stRsp, zuletzt OGH 2 Ob 9/14h), sie kann allerdings auch für eine nicht verschuldete Leistungsverhinderung vereinbart werden, wenn die Ersatzpflicht für beide Seiten gleichermaßen gilt.

 

Die Vertragsstrafe unterliegt zwingend dem richterlichen Mäßigungsrecht gemäß § 1336 Abs 2 ABGB. Bei der Mäßigung ist auch das (mangelnde) Verschulden an dem Verzug zu berücksichtigen (Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek4 § 1336 Rz 28). Eine besondere Ausformung ist die „weitergeleitete“ Pönale. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen zwei Parteien einer Lieferkette eine Pönale vereinbart wurde, die dann auf den jeweils vorgelagerten Lieferanten (der seinerseits in Verzug war) überwälzt werden soll. Es stellt sich die Frage, ob der vorgelagerte Lieferant für den Schaden in Form der Pönale auch ohne besondere Vereinbarung haftet. Hier spielt die Frage des Verschuldens und des Rechtswidrigkeitszusammenhangs (Vorhersehbarkeit) eine Rolle. Ferner könnte die Angemessenheit der Höhe der Pönale ein Thema sein.

 

Praxistipp: Prüfen Sie, für welche Fälle eine Pönale vereinbart wurde und ob diese verschuldensunabhängig gelten soll.

 

Was gilt bei gänzlichem Lieferausfall?

 

Während die Lieferverzögerung nur ein vorübergehender Zustand ist, wird die Leistung bei einem gänzlichen Lieferausfall (nachträglich) unmöglich. Auch hier wird der gänzliche Lieferausfall im ursächlichen Zusammenhang mit dem Corona Virus nicht dem Lieferanten zugerechnet werden können.

 

Der Vertrag wird gemäß § 1447 ABGB ex lege aufgehoben. Die Verpflichtung des Lieferanten fällt weg, ebenso besteht – bei synallagmatischen Verträgen – die Gegenverbindlichkeit nicht
weiter. Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzustellen oder zu vergüten. Ebenso zerfällt der Vertrag bei einem Fixgeschäft, wenn die Lieferung nicht zu dem fix vereinbarten Liefertermin
erfolgt
.

 

Praxistipp: Prüfen Sie zuerst, ob der Lieferung nur ein vorübergehendes Hindernis entgegensteht oder die Leistung dauerhaft nicht möglich ist.

 

Arbeitsrechtliche Fragestellungen und Maßnahmen

 

•    Darf der Dienstgeber einseitig Home-Office anordnen?

 

Home-Office kann nur dann angeordnet werden, wenn dies bereits im Dienstvertrag vereinbart wurde oder der Dienstvertrag eine Versetzungsklausel enthält. Ist beides nicht der Fall, muss Home-Office mit dem Dienstnehmer vereinbart werden.

 

Muss der Dienstgeber Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Ansteckung treffen?

 

Dies kann sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers ergeben, wobei sich die Präventionsmaßnahmen nach dem Infektionsrisiko richten. Beispielsweise können in Betrieben mit häufigem Kundenverkehr in Gebieten mit einer tatsächlichen Ansteckungsgefahr Präventionsmaßnahmen geboten sein. Zu denken ist beispielsweise an Hygienemaßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr wie etwa das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln für die Handhygiene.

 

Entgeltfortzahlung bei behördlich angeordneter Quarantäne?

 

Der Dienstnehmer hat nach dem Epidemiegesetz grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Dienstgeber hat das Entgelt weiter an den Dienstnehmer auszuzahlen, kann jedoch Ersatz vom Bund beantragen. Ein solcher Antrag muss binnen sechs Wochen ab Aufhebung der Quarantäne bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gestellt werden.

 

Darf der Dienstnehmer zu Hause bleiben, wenn seine Kinder von einer behördlichen Schließung des Kindergartens bzw. der Schule betroffen sind?

 

Wenn die Betreuung des Kindes – vor allem aufgrund seines Alters – notwendig ist, darf der Arbeitnehmer (abhängig vom Einzelfall) bis zu einer Woche zu Hause bleiben und hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

 

Abbau bestehender Urlaubs- und Zeitguthaben bei Produktionseinbrüchen?

 

Unverbrauchter Resturlaub kann in auslastungsschwachen Zeiten bilanzentlastend abgebaut werden. Auch bei „betrieblicher Notwendigkeit“ gilt allerdings die allgemeine Regelung, dass der Urlaubsverbrauch vom Dienstgeber nicht einseitig angeordnet, sondern mit dem Dienstnehmer vereinbart werden muss. Eine Grenze liegt wohl in einer rechtsmissbräuchlichen Verweigerung einer Urlaubsvereinbarung („Horten von Urlaub“). Das Erfordernis individuellen Einvernehmens gilt im Übrigen auch für Betriebsurlaube.

 

Die Einigung sollte möglichst dokumentiert werden zum Beispiel durch schriftliche Urlaubsgesuche, entsprechende E-Mails udgl. Für Zeiträume, in denen ein Entgeltfortzahlungsanspruch oder Anspruch auf Pflegefreistellung besteht, wäre eine Urlaubsvereinbarung allerdings unwirksam.

 

Bestehen Zeitguthaben aus vereinbartem Mehr- und Überstundenzeitausgleich oder im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle (zB „Entleerung“ des Zeitkontos bei Gleitzeit), liegt ein Abbau dieser Guthaben in produktionsschwachen Zeiten nahe. Wie Urlaub setzt der (konkrete) Verbrauch des Zeitausgleichs – zumindest bei Mehrund Überstunden – eine Vereinbarung
mit dem Dienstnehmer voraus.

 

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