Beendigung oder Kündigung? Folgen für den Ausgleichsanspruch (BGH 5. 11. 2020)

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Bisweilen sieht ein Handelsagentenvertrag Umstände vor, bei denen er als aufgelöst gilt. Es stellt sich die Frage, ob derjenige, der diese Umstände herbeiführt, den Vertrag kündigt oder beendet. Dies hat Folgen für den Ausgleichsanspruch…

 

Im konkreten Fall hat der Agenturvertrag die Regelung enthalten, dass der Vertrag mit dem Ausscheiden eines Geschäftsführers bzw. Gesellschafters aus der Gesellschaft endet (die Agentur war eine GmbH).

 

Ehemann und Ehefrau waren jeweils 50-prozentige Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Ehefrau schied als Geschäftsführerin aus und übertrug ihre Geschäftsanteile auf den Ehemann. Unstrittig war, dass dadurch der Agenturvertrag endete.

 

Die GmbH hat daraufhin einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht. Das in erster Instanz tätige Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung ist erfolglos geblieben. Der Ausgleichsanspruch ist nach dem Gesetzeswortlaut verloren, wenn die Handelsagentur ohne Grund (den der Lieferant zu vertreten hat) gekündigt hat (abgesehen von Krankheit, Pension etc., was hier schon aufgrund der bestehenden GmbH nicht gegenständlich war). Dieser Fall sei aber analog zu sehen. Die Handelsagentur hat zwar formal nicht gekündigt, sie hat aber eine auflösende Bedingung selbst herbeigeführt. Der Entschluss zum Gesellschafterwechsel lag ausschließlich in ihrer Sphäre und ist deshalb nicht anders zu bewerten als der freie Entschluss eines Handelsvertreters zur Kündigung.

 

Nun hatte der BGH zwar nach deutschem Recht zu entscheiden; die Entscheidung ist aber aufgrund des gleichen Wortlauts des Gesetzes auf das österreichische Recht übertragbar.

 

Der BGH hat die Entscheidung „umgedreht“: der Ausschlusstatbestand (also der Entfall des Ausgleichs bei Kündigung) kann nicht auf andere Fälle erstreckt werden. Denn aus der Handelsvertreter-Richtlinie der EU wird ein sogenanntes Analogieverbot abgeleitet. Art. 18 der Richtlinie, der den Ausgleichsanspruch regelt, sieht als Ausschlusstatbestand die „Beendigung“ vor, nicht aber die „Herbeiführung einer Bedingung“. Der EuGH wendet diese Ausnahmebestimmung restriktiv an. Ein Umstand, der nicht ausdrücklich in der Richtlinie als Grund für den Entfall vorgesehen ist, kann nicht herangezogen werden. Dementsprechend scheidet eine analoge Anwendung zulasten der Handelsagentur aus.

 

Nach Ansicht des BGH liegt eine Beendigung des Vertrags im Sinne des Art 18 eben nur bei einer Kündigung durch den Handelsagenten vor. Der Eintritt einer zwischen den Parteien vereinbarten auflösenden Bedingung hingegen ist keine solche Beendigung. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der auflösenden Bedingung vom Handelsagenten selbst herbeigeführt wird. In diesen Fällen kommt es nicht unmittelbar durch rechtsgeschäftliches Handeln des Handelsagenten, sondern sozusagen „automatisch“ durch den Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung zur Beendigung des Agenturvertrags.

 

Mit anderen Worten: der Ausgleichsanspruch bleibt trotz der Herbeiführung der auflösenden Bedingung durch die Handelsagentur gewahrt.

 

Der BGH macht allerdings eine „Hintertür“ auf: er meint, dass im Rahmen der allgemeinen Billigkeitsprüfung alle Umstände des Einzelfalls im Ergebnis dazu führen können, dass der Ausgleichsanspruch zu versagen ist. Mehr sagt er allerdings nicht dazu, sodass sich die unteren Instanzen mit der Sache ohne „Richtschnur“ weiter beschäftigen müssen.

 

Dennoch ist dies insgesamt eine für den Handelsagentenstand erfreuliche Entscheidung. Wurden die Ausschlusstatbestände bislang (insb. betreffend eine Kündigung durch die Handelsagentur) als erweiterbar betrachtet, hat sich der BGH von dieser Linie ausdrücklich verabschiedet. Der Ausgleich kann daher (neben den anderen im Gesetz ausdrücklich genannten Gründen) nur dann entfallen, wenn die Handelsagentur tatsächlich gekündigt hat – nicht aber, wenn sie nur eine Bedingung herbeigeführt hat, die vereinbarungsgemäß zur Beendigung führt. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann dies den entscheidenden Unterschied ausmachen.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

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