Ausgleichsanspruch auch bei Markenwechsel und Vertriebssystemumstellung

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Ausgleichsanspruch grundsätzlich auch bei Markenwechsel und Umstellung des Vertriebssystems (Oberster Gerichtshof 17. 1. 2012, 4 Ob 188/11t)

Eine Handelsagentur hat unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch dann einen Ausgleichsanspruch für den aufgebauten Kundenstock, wenn der Geschäftsherr nach der Vertragsbeendigung den Lieferanten wechselt. Weiterwirkende Vorteile aus dem Kundenstock bestehen auch dann, wenn aufgrund eines Markenwechsels nach der Vertragsbeendigung Substitutionsgüter verkauft werden. Auch dadurch nützt der Geschäftsherr den vom Agenten aufgebauten Kundenstock. Hat der Geschäftsherr aufgrund des Markenwechsels aber einen besonderen Aufwand, die Kunden zu halten, entfallen insoweit die Stammkundeneigenschaft und damit der Ausgleich.

Eine Umstellung des Vertriebs vom Verkauf an Endverbraucher auf den Verkauf an den Großhandel lässt den Ausgleichsanspruch unberührt. Es kommt nicht darauf an, dass der Kundenstock unmittelbar genützt wird, es sind vielmehr auch mittelbare Vorteile anspruchsbegründend.

Weitergabe von Interessentenkontakten an den Handelsvertreter darf nicht entgeltlich sein; Anforderungen an Stornogefahrmitteilungen (LG Hannover 6.3.2012, 2 O 32/11)

Der Geschäftsherr darf – auch bei vertraglicher Vereinbarung – keine Kosten für die Weitergabe von „leads“, also Interessentenkontakten verrechnen. Eine gegenteilige Vertragsregelung ist unwirksam.

Der Versicherer ist nicht verpflichtet, säumige Versicherungsnehmer zu klagen. Der Versicherer muss nur dann intervenieren, wenn der Aufwand nicht außer Relation zur Provisionsrückzahlung steht. Eine Stornogefahrmitteilung hingegen muss alle Informationen enthalten, die der Vermittler benötigt. Lediglich die Namen der Versicherungsnehmer mitzuteilen, ist ebenso zu wenig wie die Rückbuchung der Provision und die Darstellung des Provisionsvorgangs als „abgeschlossen“.

Altkunde kann hinsichtlich weiterer Marken Neukunde sein (OLG München 14.3.2012, 7 U 3567/11)

Ein Altkunde kann hinsichtlich anderer Marken desselben Herstellers (im konkreten Fall weitere Brillenkollektionen) Neukunde sein. Dies ergibt sich aus der speziellen vertraglichen Gestaltung, wonach der Geschäftsherr Handelsagenten jeweils für ein Gebiet und dort lediglich hinsichtlich bestimmter Marken, nicht aber für alle von ihm vertriebenen Produkte bestellt hatte. Zudem wurde auch für bestehende Kunden ein „Neukundenformular“ für jede einzelne Marke angelegt, dh der Geschäftsherr hat den Kunden als Neukunden behandelt. Angesichts dieser besonderen Umstände des Falls ist keine branchenbezogene Betrachtung anzustellen (mit dem Ergebnis „Altkunde“), sondern eine vertragsspezifische Betrachtung mit dem Ergebnis der Neukundeneigenschaft.

Anforderungen an die Kündigungserklärung (OLG Düsseldorf 20.4.2012, 26 O 65/10)

Der Geschäftsherr hatte dem Handelsagenten mitgeteilt, er „will“ den Vertrag kündigen. Dieser hat geantwortet, er möge doch vor dem Ausspruch der Kündigung erst einmal die Kündigungsfrist prüfen. Der Handelsagent hat also unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgeht, dass dies noch nicht die Kündigungserklärung darstellt. Umso mehr hätte der Geschäftsherr klarstellen müssen, ob und unter Einhaltung welcher Frist er denn jetzt kündigt. Die Aussage, er wolle kündigen, war also noch nicht der Ausspruch der Kündigung, dh keine Kündigungserklärung.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter