Vermittler bereitet für Kunden Schreiben mit Kontaktverbot zum „alten“ Betreuer vor – zulässig? (OGH 22. 9. 2020)
Im harten Kampf um Kunden greifen Vermittler bisweilen zu harten Waffen. Manch einer bereitet für die Kunden Schreiben vor, in denen sie dem früheren Vermittler eine weitere Kontaktaufnahme untersagen (sollen). Es stellt sich die Frage, ob das zulässig ist…
Ein Versicherungsmakler war als Submakler für ein anderes Maklerunternehmen tätig. Nach dem Vertragsende ließ er mehr als 100 Kunden ein von ihm vorbereitetes Schreiben unterfertigen. Darin lösten die Kunden die Vollmachtsverhältnisse zum bisherigen Makler auf und untersagten ihm eine Kontaktaufnahme. Diese Schreiben übermittelte er gesammelt per Fax eben diesem Makler. Dieser begehrte dagegen eine einstweilige Verfügung, die in zweiter Instanz erlassen wurde.
Der OGH hingegen gab ihm nicht Recht – das Schreiben war rechtmäßig. Die Veranlassung der Beendigung der Betreuung durch den „alten“ Betreuer ist nur dann unlauter, wenn dies mit verwerflichen Mitteln erfolgt. Dazu zählen etwa unsachliche Lockmittel (die Grenzen sind im Einzelfall zu beurteilen). Wird der Kunde aber nur bei der Umsetzung seines selbst gefassten Entschlusses unterstützt, kann das vorbereitete Schreiben eine „willkommene Serviceleistung“ sein. Es enthielt keine negativen Äußerungen über den früheren Vermittler und auch sonst keine unsachliche Beeinflussung der Kunden. Auch im Kontaktverbot liege keine unsachliche Vorgangsweise, da der Kunde ja stets die Möglichkeit hat, eine Betreuung zu beenden bzw. abzulehnen.
Die Entscheidung ist auf die „Agentenlandschaft“ anwendbar, was das Gesetz zum unlauteren Wettbewerb (UWG) anlangt. Ein Vollmachtsverhältnis wie zu einem Versicherungsmakler besteht aber zum Handelsagenten nicht. Und eine Kündigungshilfe betreffend (Dauer)Verträge, für die der Agent bereits Provisionen erhalten hat, wäre nicht nur unschön, sondern rechtlich verwerflich. Auch ein Ausgleichsanspruch kann dadurch verloren gehen.
Interessant ist aber der Aspekt des Kontaktverbots. Die Entscheidung ist diesbezüglich besonders interessant, weil zur vergleichbaren deutschen Rechtslage jüngst anders entschieden wurde. Wir hatten an dieser Stelle davon berichtet: nach der Ansicht des OLG Jena vom 27. 3. 2019 geht eine solche Abschottung von Kunden deutlich über das Zulässige hinaus. Denn es handelte sich eben nicht um eine Initiative der Kunden, sondern der Subagent hatte zielgerichtet darauf hingearbeitet.
Der OGH hat dies offenbar nicht so gesehen und hat die Vorgangsweise als zulässig erachtet. Aber Achtung: er hat betont, dass im vorliegenden Fall die Vertragspartner explizit vereinbart haben, dass die Kunden selbst entscheiden mögen, welchen Betreuer sie zukünftig haben möchten. In der Praxis ist bisweilen in schriftlichen Verträgen das Gegenteil geregelt, nämlich im Sinne eines möglichst weitgehenden Schutzes des „alten“ Betreuers bzw. Vertriebsunternehmens (wobei stets die Wirksamkeit solcher Kundenschutzklauseln bzw. von Konkurrenzverboten zu hinterfragen ist). Es ist also möglich, dass die Gerichte vor dem Hintergrund solcher Regelungen – sofern sie als wirksam erachtet werden – zu anderen Ergebnissen kommen.
Anmerkung: Gerade auch die Vereinbarung, die Kunden mögen selbst entscheiden, hätte man im Sinne der Entscheidung des OLG Jena gerade umgekehrt interpretieren und in den vorbereiteten Schreiben ein Unterlaufen dieser freien Entscheidung sehen können.
In der Praxis sind nach der genannten OGH-Entscheidung die vertraglichen Grundlagen und die konkrete Formulierung des vorbereiteten Schreibens bzw. des Kontaktverbots zu beachten. Von „Übertreibungen“ jedweder Art ist jedenfalls abzuraten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter
Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:
https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html