Zur Anwendbarkeit von §§ 1409 ABGB, 38 UGB bei mehrfachen Unternehmensübertragungen

No Tags | Gesellschaftsrecht & Unternehmensrecht

In Konzernverhältnissen ist bisweilen beabsichtigt, einen (Teil-)Betrieb auf eine andere Konzerngesellschaft zu übertragen. Aus verschiedenen Gründen kann es erforderlich sein, den Betrieb mehrfach zu übertragen (z.B. zuerst von der Tochter- auf die Muttergesellschaft und von dieser auf eine andere Konzerngesellschaft etwa über eine Einbringung). Dabei stellt sich die Frage, ob ein mehrfacher Unternehmensübergang eintritt, der die Haftung aller beteiligten Gesellschaften für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten gemäß §§ 1409 ABGB, 38 UGB zur Folge hat. Oder ob dies – wie beim zivilrechtlichen Streckengeschäft – dadurch vermieden werden kann, dass zwar mehrere Verträge abgeschlossen werden, das Unternehmen aber nur einmal von der übertragenden Gesellschaft auf den letzten Erwerber übertragen wird.

 

Die Frage stellt sich allgemein immer dort, wo ein Unternehmen mehrfach hintereinander übertragen werden soll. Grundsätzlich würde die Erwerberhaftung gemäß §§ 1409 ABGB, 38 Abs 4 UGB für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten jede beteiligte Person treffen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Unternehmen auf die beteiligten Personen jeweils auch sachenrechtlich übertragen wird.

Fraglich ist, ob sich diese rechtliche Beurteilung ändert, wenn über das Unternehmen zwar nacheinander zwei (Titel-)Geschäfte abgeschlossen werden, das Unternehmen aber nur einmal sachenrechtlich übertragen wird, nämlich vom Veräußerer auf den Letzterwerber.

Dieser Sachverhalt ist vergleich dem schuldrechtlichen „Streckengeschäft“, bei dem über eine Sache mehrere, nacheinander geschaltete Kaufverträge abgeschlossen werden (z.B. Kaufvertrag Verkäufer [V] – Käufer 1 [K1]; K1 – Käufer 2 [K2]), der Kaufgegenstand aber direkt vom Verkäufer (V) an den Letztkäufer (K2) geliefert wird. Mit dieser Lieferung werden schuldrechtlich beide Kaufverträge erfüllt, das Eigentum geht direkt von V an K2 über.

Es stellt sich die Frage, ob den „Zwischenerwerber“, der zwar über das Unternehmen Erwerbs- und Veräußerungsverträge abgeschlossen hat, dieses aber zu keinem Zeitpunkt in seiner sachenrechtlichen Verfügungsgewalt hatte, ebenfalls die Erwerberhaftung gemäß §§ 1409 ABGB, 38 UGB trifft.

a) § 1409 ABGB

Der gesetzliche Schuldbeitritt gemäß § 1409 ABGB setzt voraus, dass jemand ein Vermögen oder Unternehmen „übernimmt“. Nach hA ist die „Übernahme“ (gemeinsam mit der „Übergabe“ durch den Übergeber) mit dem Verfügungsgeschäft gleichzusetzen (Ertl in Rummel § 1409 Rz 3; Wolff in Klang 356 ua). Der Tatbestand der Übergabe ist erst dann erfüllt, wenn die Übertragung der dazu gehörigen einzelnen Vermögensgegenstände nach den jeweils dafür geltenden sachenrechtlichen Vorschriften vollzogen wurde.

Auch nach der Rechtsprechung löst weder der Abschluss des Titelgeschäfts noch der Zeitpunkt des rechtsgeschäftlich festgelegten Übergangs von Gefahr und Nutzen die Erwerberhaftung aus (OGH 1 Ob 565/81, EvBl 1981/1608). Ein Vermögen ist übernommen, wenn es dem exekutiven Zugriff der Gläubiger entzogen ist, ihnen also der Haftungsfonds des Schuldners genommen wird (OGH 6 Ob 543/86, SZ 59/163).

Jedenfalls den Letzterwerber, an den die sachenrechtliche Verfügungsgewalt übertragen wird, trifft daher die Erwerberhaftung gemäß § 1409 ABGB. An den „Zwischenerwerber“ wird das Unternehmen hingegen nicht übergeben. Da § 1409 ABGB die „Übernahme“ voraussetzt und nur den Übernehmer für die zum Unternehmen gehörigen Schulden haften lässt, könnte argumentiert werden, dass den „Zwischenerwerber“ nicht die Erwerberhaftung gemäß § 1409 ABGB trifft. Wie ausgeführt, reicht der Abschluss eines Titelgeschäfts alleine für die Haftung nach § 1409 ABGB nicht.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass zu der hier untersuchten Konstellation – soweit ersichtlich – weder Rechtsprechung noch Lehrmeinungen vorliegen. Der OGH hatte in einer älteren Entscheidung nur eine ähnliche Konstellation zu beurteilen (OGH 20. 12. 1983, 5 Ob 572/83). In dem Sachverhalt hatte die Beklagte ihrem Sohn einen landwirtschaftlichen Betrieb übertragen; dieser stellte jedoch nicht ihr gesamtes Vermögen dar, vielmehr übertrug sie auch ihrem anderen Sohn eine Liegenschaft. Der Kläger behauptete ein arglistiges Zusammenspiel zwischen Übergeberin und Übernehmer, um die Anwendung des § 1409 ABGB zu umgehen. Der OGH führte dazu aus, dass der Haftungstatbestand des § 1409 ABGB bei (sukzessiver) Vermögensübertragung nur gegen den Erwerber zur Anwendung komme, dem letztlich das im Wesentlichen gesamte Vermögen des Überträgers übereignet wurde, nicht aber gegenüber jedem von mehreren einzelnen Erwerbern, wenngleich diesen schließlich auch das im Wesentlichen gesamte Vermögen des Überträgers zugekommen sein möge (krit Ertl in Rummel § 1409 Rz 3).

Die hier untersuchte Konstellation ist zwar anders gelagert, weil nicht ein Unternehmen sukzessive auf mehrere Zwischenerwerber aufgeteilt wird und insgesamt letztlich einem Letzterwerber zukommt. Allerdings scheint jedenfalls die Wertung übertragbar, dass die Haftung nur den treffen soll, dem letztlich das im Wesentlichen gesamte Vermögen oder Unternehmen übereignet wird. Dies ist im vorliegenden Fall der Letzt-, nicht jedoch der Zwischenerwerber.

Für dieses Ergebnis spricht auch der Zweck des § 1409 ABGB: Diese Bestimmung geht von dem Grundgedanken aus, dass das Vermögen oder Unternehmen des Überträgers die objektive Haftungsgrundlage für Forderungen seiner Gläubiger darstellt und den Gläubigern durch die Übertragung des im Wesentlichen ganzen Vermögens oder Unternehmens ihres Schuldners auf eine andere Person ihre bisherige Haftungsgrundlage nicht entzogen werden soll (OGH 1 Ob 565/81, EvBl 1981/1608). Entsprechend dieses Zwecks wird die Haftung auch bei Umgehungsversuchen bejaht, etwa wenn bei mehreren aufeinanderfolgenden Übertragungen einzelner Sachen die wirtschaftliche Wirkung einer Vermögens- oder Unternehmensübertragung erreicht wird (OGH NZ 1997, 145; RdW 2000, 601).

In der vorliegenden Konstellation könnte argumentiert werden, dass die Gläubiger des Veräußerers aufgrund der Erwerberhaftung des Letzterwerbers nicht benachteiligt werden. Es wird dasselbe Ergebnis erzielt, wie wenn der Betriebsübergang direkt zwischen diesen beiden Personen vereinbart gewesen wäre.

b) § 38 UGB

 

Auch zu § 38 UGB bestehen weder einschlägige Rechtsprechung noch Lehrmeinungen zu der hier untersuchten Konstellation. Die Anwendung von § 38 UGB setzt grundsätzlich einen rechtsgeschäftlichen Erwerb unter Lebenden im Wege der Einzelrechtsnachfolge – und damit auch den Abschluss eines Titelgeschäfts – voraus. Die in §§ 38 f UGB normierten Rechtsfolgen greifen allerdings erst zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs ein (§ 38 Abs 1 Satz 1 UGB). Es kommt nach den Gesetzesmaterialien darauf an, ob der Erwerber über die Unternehmensorganisation so verfügen kann, dass die „Beziehungen zu den Vertragspartnern des Veräußerers zweckentsprechend zum Einsatz kommen können“ (EBRV 1058 BlgNR 22. GP 30). Die hA stellt auf die Einräumung einer Verfügungsgewalt iS einer faktischen Beherrschung des Unternehmens ab (Dehn in Torggler, UGB § 38 Rz 34; S. Bydlinski in Krejci, RK UGB § 38 Rz 8; Karollus in Jabornegg/Artmann, § 38 UGB Rz 28). Letztlich ist auch im Rahmen des § 38 UGB nicht bloß der Abschluss des Titelgeschäfts, sondern die Übertragung des Unternehmens entscheidend.

Für die Anwendbarkeit des § 38 UGB ist darüber hinaus erforderlich, dass das bisherige Unternehmen fortgeführt wird (§ 38 Abs 1 UGB). Die Unternehmensfortführung setzt aber die tatsächliche Übertragung voraus.

Es könnte daher argumentiert werden, dass in der hier untersuchten Konstellation die Rechtsfolgen der §§ 38 f UGB (nur) im Verhältnis Veräußerer – Letzterwerber eintreten. Die Überlegungen zur Anwendbarkeit des § 1409 ABGB scheinen übertragbar, weil beide Tatbestände auf die tatsächliche (sachenrechtliche) Übertragung bzw. die Einräumung einer Verfügungsmöglichkeit abstellen. Werden Rechtsverhältnisse oder einzelne Verbindlichkeiten nicht übernommen, dann würde dies bedeuten, dass nur den Letzterwerber, nicht jedoch den Zwischenerwerber die Erwerberhaftung gemäß § 38 Abs 4 UGB trifft.

Praktisch gesehen ist die Frage der Erwerberhaftung dann nicht relevant, wenn diese zulässigerweise gemäß § 38 Abs 4 UGB vertraglich ausgeschlossen und beim Unternehmensübergang in das Firmenbuch eingetragen, in der Wiener Zeitung bekannt gemacht oder dem Dritten mitgeteilt wurde. Der Haftungsausschlusses muss dabei in einem engen zeitlichen Naheverhältnis zur Übertragung des Unternehmens auf den Letzterwerber iSd § 38 Abs 4 UGB bekannt gemacht werden (nach OGH 6 Ob 242/11y sind fünf Wochen nach Unternehmensübergang verspätet).

Für die Praxis besteht insgesamt bei geplanter mehrfacher Übertragung desselben Unternehmens (insbesondere im Konzern) die Gestaltungsmöglichkeit, trotz mehrfacher Übertragungsvereinbarungen nur eine tatsächliche (sachenrechtliche) Übertragung vom Veräußerer an den Letzterwerber vorzusehen. In dieser Konstellation könnte u.E. argumentiert werden, dass nur den Letzterwerber, nicht aber den Zwischenerwerber die Haftung gemäß §§ 1409 ABGB, 38 Abs 4 UGB trifft.

 

Ihre Ansprechpartner: Dr. Lukas Schenk / Dr. Florian Linder