Österreichische Zuständigkeit trotz auswärtiger Gerichtswahl? (LG Linz 6. 11. 2024)
In schriftlichen Verträgen des im Ausland befindlichen Geschäftsherrn findet sich regelmäßig der Passus, wonach das Gericht an seinem Sitz zuständig sein soll, im konkreten Fall in Italien. Kann der sales agent dennoch in Österreich klagen, wenn er bei Vertragsschluss als Handelsagent überhaupt erst begonnen hat bzw. neu in der Branche war?
Vertragliche Regelung
Der Vertriebspartnervertrag regelte, dass die italienischen Gerichte zuständig sind. Eine solche Regelung ist grundsätzlich wirksam und begründet, sogar ohne ausdrückliche Festlegung, dass dies ausschließlich zu gelten habe, die alleinige Zuständigkeit der italienischen Justiz. Örtlich zuständig ist dann das Gericht am Sitz des Unternehmens.
Gründungsgeschäft nach Konsumentenschutzrecht?
Im hier entschiedenen Fall hat der sales agent dennoch Klage in Österreich erhoben. Er machte seinen Ausgleichsanspruch und Verdienstentgang in der Höhe von rund € 35.000 geltend. Sein Anwalt argumentierte, dass es sich um ein Gründungsgeschäft nach dem Konsumentenschutzgesetz handeln würde. Eine vom Sitz des Verbrauchers, hier also des sales agent, abweichende Gerichtsstandsvereinbarung sei daher unwirksam und die Klage in Österreich zulässig.
Die Regelungen des KSchG sind tatsächlich auf sogenannte Gründungsgeschäfte anwendbar. Das ist der Fall, wenn der sales agent bei Beginn der Zusammenarbeit branchenfremd war oder er überhaupt erst als sales agent begonnen hat. Dieser Aspekt kann durchaus weiterhelfen, wenn bestimmte Regelungen des Handelsvertretervertrags in Frage stehen. Ein Rückgriff auf die Bestimmungen zum Verbraucherschutz kann durchaus hilfreich sein.
EuGVVO geht vor
Das gilt aber leider nicht für Regelungen über einen auswärtigen Gerichtsstand. Die Beurteilung richtet sich nach den europarechtlichen Bestimmungen, in diesem Fall nach der Europäischen Zuständigkeits- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO) und nicht nach den innerstaatlichen Regelungen des KSchG. Der Begriff des Verbrauchers kennt im Bereich der EuGVVO keinen solches Gründungsgeschäfts (eine gleichlautende Bestimmung wie in § 1 KSchG fehlt eben). Das hat der OGH auch bereits ausdrücklich entschieden.
Folgen für die Praxis und den konkreten Fall
Sieht der schriftliche Handelsagentenvertrag einen auswärtigen Gerichtsstand vor, dann bleibt es dabei: zuständig sind dann nur die auswärtigen Gerichte. Daran kann eine Berufung auf den österreichischen Konsumentenschutz, insb. ein behauptetes „Gründungsgeschäft“ nichts ändern. So hat es auch das LG Linz in seinem Beschluss entschieden. Es hat seine (internationale) Unzuständigkeit ausgesprochen.
Für den klagenden sales agent bedeutet dies nun zweierlei: er wurde zu einem Kostenersatz von € 8.800 an die Gegenseite verpflichtet. Seinem eigenen Anwalt hatte er vorneweg rund € 3.000 bezahlt. Zum allem Überdruss sind nun auch die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Im Vertrag war eine relativ kurze Verjährungsfrist vorgesehen. Diese wurde ja nicht gewahrt, weil das Gericht in Österreich im Sinne der Rechtsprechung offenbar (im Sinne von offensichtlich) unzuständig war. Es stellt sich hier also die Frage nach der Verantwortlichkeit des klageführenden Anwalts. Wir sind mit dieser Sache bereits befasst.
Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter
Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:
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