Newsletter Medizinrecht November 2024 – Ästhetische Operation oder Behandlung? – Oftmals eine schwierige Abgrenzungsfrage mit gravierenden Folgen
Die Unterscheidung zwischen ästhetischen Operationen und Behandlungen ist vor allem für ausübende Ärzte von Relevanz, da unterschiedliche Qualifikationen bzw Facharztausbildungen der durchführenden Ärzte notwendig sind. Dass diese Unterscheidung mitunter heikel sein kann, zeigt auch ein Präzedenzfall, welcher Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit einer Durchführung von Fadenlifting durch Allgemeinmediziner aufwarf.
Vorfrage: Medizinische Indikation?
Als Vorfrage ist zu überlegen, ob eine medizinische Indikation für die ästhetische Behandlungen und Operationen besteht. Das hier maßgebliche Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) ist nämlich nur dann anzuwenden, wenn keine medizinische Indikation vorliegt. Bei einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist regelmäßig von einer medizinischen Indikation auszugehen. Selbst bei fehlender Kostenübernahme ist bei angeborenen gravierenden Missbildungen, Fehlbildungen oder Anomalien sowie bei entstellenden Missbildungen, Verletzungen oder Narbenbildungen nach Unfällen, Tumoroperationen oder Brandverletzungen die medizinische Indikation gegeben. Wird eine medizinische Indikation durch den behandelnden Arzt festgestellt, unterliegt der jeweilige Eingriff nicht dem Anwendungsbereich des ÄsthOpG.
Unterscheidung Behandlung – Operation
Diese Unterscheidung ist in der Praxis höchst relevant, weil nicht nur die einschlägige Berechtigung gegeben sein muss, sondern auch weitere Beschränkungen zu beachten sind:
Ästhetische Operationen dürfen grundsätzlich nur von Fachärzten für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie ausgeführt werden. Darüber hinaus sind einzelne Facharztdisziplinen zur Durchführung bestimmter Ästhetischer Operationen berechtigt. Hier ist beispielsweise die Ober- und Unterlidoperation durch einen Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie oder die Bruststraffung durch einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu nennen.
Zudem besteht auch die Möglichkeit für Allgemeinmediziner (aber auch für Fachärzte) eine individuelle Zulassung von der Ärztekammer für bestimmte ästhetischen Operationen zu beantragen, wenn die einschlägigen Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie praktische Erfahrung (unter Anleitung von berechtigten Ärzten) nachgewiesen werden können. Demgegenüber können ästhetische Behandlungen ohne weiteres auch von Allgemeinmediziner durchgeführt werden.
In jedem Fall sind strenge Wettbewerbsbeschränkungen und ein Provisionsverbot zu beachten. So ist die Bewerbung von ästhetischen Behandlungen oder Operationen, die über eine bloße „Leistungsinformation oder -beschreibung“ hinausgeht, verboten.
Ärzten, die nicht zur Durchführung von ästhetischen Operationen berechtigt sind (zB Allgemeinmediziner), ist es strengstens untersagt auf deren geschäftlichen Papieren, Werbematerialien oder Websites die Hinweise „ästhetische Chirurgie“ oder „ästhetische Medizin“ anzuführen.
Auf die Einhaltung dieser Vorschriften ist insbesondere bei jedem Internetauftritt (zB Website der Ordination), physischen Aushängen oder Werbematerialien in Ordinationen oder auch bei öffentlichen Vorträgen zu achten.
Bei Verstößen drohen nicht nur standesrechtliche Disziplinarmaßnahmen, sondern auch verwaltungsstrafrechtliche und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen. Denkbar wäre beispielsweise eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs.
Ästhetische Behandlung
Ästhetische Behandlungen sind Behandlungen durch Arzneimittel oder minimal-invasiver Methoden zur Herbeiführung von subjektiv wahrnehmbaren Verbesserungen des optischen Aussehens oder der Verschönerung des menschlichen Körpers oder der ästhetischen Veränderung des körperlichen Aussehens. Das ÄsthOpG definiert einige Eingriffe ausdrücklich, die jedenfalls ästhetische Behandlungen sind und damit auch von Ärzten der Allgemeinmedizin durchgeführt werden dürfen. Dies sind die Verabreichung von Botulinumtoxin, physikalische Anwendungen wie Photorejuvenation, Faltenunterspritzungen, Kryollplyse oder die Anwendung von chemischen Peelings mit einem Fruchtsäureanteil von mehr als 10 % zu nennen.
Ästhetische Operation
Ästhetische Operationen sind hingegen operativ-chirurgische Behandlungen, welche eine subjektiv wahrnehmbare Verbesserung des optischen Aussehens oder eine Verschönerung des menschlichen Körpers oder eine ästhetische Veränderung des körperlichen Aussehens zur Folge haben. Beispielhaft nennt das ÄsthOpG die Bauchstraffung, die Brustvergrößerung, die Gesäß-Modellierung, die Nasenkorrektur aber auch Stirnlift, die jedenfalls als Operationen zu qualifizieren sind. Die österreichische Ärztekammer hat die Befugnis, weitere Beispiele für ästhetische Operationen zu definieren. Die ÄsthOp-VO 2013 nennt hier etwa unter anderem die Zilientransplantation, die Entfernung von Xanthelasmen (ausgenommen okulär), die Auflagerungsplastik oder Gesichtsimplantate.
Praxisbeispiel: „Fadenlifting“
Das Fadenlifting ist eine schonende und minimal-invasive Methode zur Hautstraffung. Die Straffung passiert durch das Einbringen von Fäden mit Widerhäkchen unter der Haut. Unstrittig ist hierbei, dass abgesehen von seltenen Ausnahmen keine medizinische Indikation bei diesem Verfahren besteht, weshalb das ÄsthOpG anwendbar ist. Es ergibt sich allerdings ein gewisser Interpretationsspielraum hinsichtlich der Einordnung von Fadenlifting als Behandlung oder Operation, da dieses Verfahren weder unter den Operationen noch unter den Behandlungen im Gesetz genannt wird. In einer Stellungnahme des BMASGK von 2018 wurde das Fadenlifting als ästhetische Operation qualifiziert. Dagegen spricht freilich, dass im Rahmen der Novellierung der ÄsthOp-VO 2013 im Jahr 2019 durch die Ärztekammer (die gerade den Zweck hatte, weitere ästhetische Operationen zu definieren) das Fadenlifting nicht als ästhetische Operation definiert wurde.
Praxistipps
Bevor Allgemeinmediziner ästhetische Eingriffe durchführen, sollte eine Klärung stattfinden, ob der jeweilige Eingriff als Behandlung oder Operation zu qualifizieren ist. Verstöße können schwerwiegende disziplinäre, verwaltungsstrafrechtliche und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Werden ästhetische Behandlungen durchgeführt, sollte bei Werbeauftritten, beispielsweise auf der Website der Ordination, Ordinationsschildern oder Werbematerialien in Ordinationen jegliche Bezugnahme auf „ästhetische Chirurgie“, „ästhetische Medizin“, „ästhetische Operationen“ odgl. strikt vermieden werden.
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Newsletter ÄsthOpG_2024_11.pdf