Keine Alleinvertretung und auch kein Buchauszug? (OLG Linz 20. 8. 2018)

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Gerichte entscheiden klarerweise stets nur im Einzelfall, dessen Besonderheiten sich eben auswirken können (oder auch nicht). Bisweilen scheinen dabei „tradierte“ Rechtsgrundsätze über Bord geworfen…

Eine Handelsagentin war für ein Kosmetikunternehmen tätig, ein schriftlicher Vertrag wurde nicht geschlossen. Die Handelsagentin hatte den Vertrag fristlos gekündigt. Danach brachte sie eine Klage ein. Sie wäre als alleinige Vertreterin (nach § 8 Abs. 4 HVertrG) zu allen Provisionen aus ihrem Vertretungsgebiet berechtigt und begehrte darüber einen Buchauszug. Zur Erinnerung: der alleinige Agent hat das Recht, der einzige Agent im Gebiet zu sein und hat Anspruch auf die Provision für alle dort abgeschlossenen Geschäfte (unabhängig von seiner Mitwirkung). Zudem klagte sie einen Ausgleichsanspruch für den Kundenstock ein.

Der Geschäftsherr hatte eine Aufstellung von Rechnungen übermittelt, aus der auch die Nettobeträge und das jeweilige Zahlungsdatum ersichtlich waren. Auch aus den übrigen Informationen ergab sich z.B. keine Information über die Gründe für die mangelnde Ausführung von Geschäften.

Das Erstgericht hat kurz verhandelt und dann ein Teilurteil nur über den Buchauszug gefällt. Die Klägerin sei nicht ausdrücklich als alleinige Vertreterin bestellt worden (wie es in § 8 Abs. 4 HVertrG lautet), ein Buchauszug stehe aber für die von ihr vermittelten Geschäfte zu.

Das OLG Linz hat diese Entscheidung abgeändert: dass die Klägerin nicht ausdrücklich als alleinige Vertreterin bestellt worden sei, sei richtig und wurde nicht bekämpft. Ein Buchauszug steht aber generell nicht (mehr) zu. Die Beklagte hätte einen solchen Buchauszug vorgelegt. So sei aus der Unterlage auch zu entnehmen, welche Rechnungen nur teilweise bezahlt wurden. Und mehr braucht man ja nicht zu wissen. Dass kein Vergleich zwischen Bestell- und Ausliefermenge möglich sei, sei eine unzulässige Neuerung und könne im Rechtsmittelverfahren nicht mehr geltend gemacht werden.

Die im konkreten Fall verfolgte Verhandlungsstrategie soll und kann mangels Aktenkenntnis nicht beurteilt werden. Dass die Handelsagentin aber mit der (an sich richtigen) Behauptung, es liege kein Buchauszug vor, zu allgemein war weil sie auf die fehlenden Bestellmengen hinweisen hätte müssen, erstaunt schon einigermaßen. Auch dass der Einwand in zweiter Instanz nicht mehr möglich sei. Denn dabei wird es sich um die rechtliche Beurteilung handeln und der Einwand, es sei kein Buchauszug im Sinne des Gesetzes, wurde ja nicht neu aufgestellt, sondern lediglich präzisiert bzw. begründet. Man wird aber angesichts dieser Entscheidung des OLG zukünftig gut beraten zu sein, bereits in erster Instanz im Detail auszuführen, warum es kein Buchauszug ist.

Der zweite Aspekt erstaunt nur auf den ersten Blick, wenn die Gerichte betonen, die klagende Handelsagentin sei „nicht ausdrücklich“ als alleinige Vertreterin bestellt worden. Denn nach der Rechtsprechung des OGH reicht dazu z.B. die Vereinbarung von „Gebietsschutz“. Nachdem es keinen schriftlichen Vertrag gab, war die Klägerin darauf angewiesen, eine mündliche Vereinbarung zu behaupten. Und auf eine schlüssige, also stillschweigende Vereinbarung hatte sie sich nicht berufen (dies wäre, ebenso wie eine mündliche Vereinbarung, durch entsprechende Provisionsabrechnungen nachweisbar gewesen). Dies konnte sie offensichtlich nicht.

Das weitere Verfahren über einen Buchauszug hat die Handelsagentin dann wohl nicht mehr geführt, die Angelegenheit endete nach unseren Informationen durch einen Vergleich. Es zeigt sich aber, dass für die Behauptung eines Gebietsschutzes aus Beweisgründen oftmals ein schriftlicher Vertrag erforderlich ist (ein mündlicher Vertrag hat dafür aber andere Vorteile, nämlich die Anwendung österreichischen Rechts und die Zuständigkeit österreichischer Gerichte, sofern der Geschäftsherr in der EU ansässig ist). Eine Rechtsschutzversicherung, die Handelsvertreterrecht abdeckt (vgl. das Produkt der Zürich unter www.handelsagenten.at), empfiehlt sich allemal. Falls solche unliebsame Überraschungen schon nicht vermeidbar sind, wären sie dann wenigstens nicht mit Kostenfolgen für den Handelsagenten verbunden (gewesen).

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter