Ist ein Vermittler, der umfassende Zusatzaufgaben übernimmt und von den Geschäftsräumen des Lieferanten aus arbeitet, (noch) ein Handelsagent? (EuGH 21. 11. 2018)

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Bisweilen bestreiten Lieferanten die Anwendbarkeit des Handelsagentenrechts, wenn die Tätigkeit atypisch ist. Teilweise wird diese auch bewusst so ausgestaltet, um dann zu argumentieren, dass die Schutznormen, die das Handelsagentenrecht bietet, nicht anwendbar seien. Der EuGH hatte solch eine Konstellation zu beurteilen….

 

Ein Unternehmen namens Zako hatte für den Lieferanten Sanidel folgende Aufgaben übernommen:

 

Auswahl der Waren und der Lieferanten sowie Bestimmung der Geschäftspolitik, insbesondere Empfang der Kunden, Erstellung von Küchenplänen und Kostenvoranschlägen, Preisverhandlungen, Unterzeichnung der Bestellungen, Ausmessungen vor Ort, Streitbeilegung, Führung des Personals der Abteilung (Sekretäre/innen, Verkäufer und Monteure), Erstellung und Betreuung der Website für den Onlineverkauf, Weiterentwicklung des Verkaufs sowie Aushandeln und Abschluss von Verträgen mit Subunternehmern für Rechnung von Sanidel. Zako erhielt eine monatliche Pauschale in Höhe von 5 500 Euro, eine Fahrtkostenentschädigung sowie eine jährliche Provision, deren Höhe in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeit zwischen 5 197,53 Euro und 30 574,19 Euro lag. Der Vertreter von Zako verfügte in den Geschäftsräumen von Sanidel über einen festen Arbeitsplatz mit eigenem Telefonanschluss und eigener E‑Mail-Adresse.

 

Vor diesem Hintergrund waren die (zuständigen belgischen) Arbeitsgerichte zum Ergebnis gekommen, dass ein Werkvertrag vorliege. Das in weiterer Folge angerufene Handelsgericht Lüttich legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Zum einen wollte es wissen, ob angesichts der oben genannten umfassenden Tätigkeiten ein Handelsagentenvertrag vorliegt; zum anderen ob die Tatsache, dass der Mitarbeiter von Zako in den Räumlichkeiten von Sanidel arbeitete, relevant ist.

 

Der EuGH hat beides klar beantwortet. Er hat dazu auf den Text der Handelsagenten-Richtlinie der EU verwiesen. Handelsagent ist, wer als selbstständig tätiger Unternehmer den Verkauf oder den Ankauf von Waren (nach der jeweiligen innerstaatlichen Umsetzung ggfs. auch Dienstleistungen) vermittelt. Dass darüber hinaus zusätzliche Tätigkeiten übernommen werden, kann daran nichts ändern, selbst wenn diese Tätigkeiten gleich wichtig wie die Vermittlung sind. Die Richtlinie sieht diesbezüglich keine Ausnahme vor. Zudem hätte es sonst der Lieferant in der Hand, sich den zwingenden Regelungen zum Schutz des Handelsagenten zu entziehen, indem er solche zusätzlichen Tätigkeiten im Vertrag vorsieht.

 

Weiter musste der EuGH beurteilen, ob es relevant ist, dass Zako seine vertraglichen Tätigkeiten von einem festen Arbeitsplatz beim Lieferanten aus erbrachte. Auch hier hat der EuGH die in der Richtlinie enthaltene Definition des Handelsagenten herangezogen. Es muss sich ja um eine selbstständige Tätigkeit handeln. Im belgischen Verfahren wurde festgestellt, dass Zako seine Tätigkeit (inhaltlich) völlig eigenständig durchgeführt hat. Insofern handelte es sich um eine selbstständige Tätigkeit, auch wenn ein fester Arbeitsplatz beim Lieferanten benutzt wurde. So hat der EuGH auch diesen Punkt konsequent nach der Richtlinie ausgelegt.

 

Die Entscheidung ist vollinhaltlich zu begrüßen. Sie stellt klar, dass der Status als Handelsagent auch dann zu bejahen ist,

 

  • wenn neben der selbstständigen Geschäftsvermittlung auch andere, durchaus genauso wichtige Aufgaben übernommen werden

 

  • und/oder die Tätigkeit von den Geschäftsräumen des Lieferanten aus erfolgt.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter