Ist der Neukunde pro Marke zu bestimmen? (OGH 25. 6. 2025)

| Vertriebsrecht

Vertritt der sales agent nur eine bestimmte Marke aus dem Portfolio seines Lieferanten, stellt sich die Frage, ob die Neukunden anhand dieser Marke zu bestimmen sind…

 

Die Vorgeschichte

 

Ein sales agent war für einen Uhren- und Schmuckhändler tätig. Seine Aufgabe war es, eine bestimmte Uhrenmarke zu vertreten (nennen wir sie „Marke D“). Der Händler hatte auch noch die Marken A, B und C im Angebot. Die Marke D war jedoch neu dazugekommen und ab diesem Zeitpunkt war der sales agent mit deren Verkauf betraut. Die übrigen Marken wurden von angestellten Außendienstmitarbeitern vertreten.

 

Alt- oder Neukunde

 

Der Händler hatte den Vertrag mit dem sales agent zwar fristlos, aber, wie von den Gerichten festgestellt wurde, unberechtigt aufgelöst. Es stand also dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch zu. Fraglich war aber, wer als Alt- oder Neukunde anzusehen war. Denn die Kunden, mit denen der sales agent Geschäfte für die Marke D vermittelt hat, waren ganz überwiegend dieselben, die der Händler auch schon zuvor mit seinen Marken A, B und C versorgt hatte. Stellte man auf den Umsatz als solchen ab, wären nahezu alle Kunden Altkunden gewesen. Stellt man auf die einzelnen Marken ab, wären alle vom sales agent betreuten Kunden Neukunden.

 

Unzulässiger Vorabverzicht

 

Die unteren Instanzen hatten den Ausgleich bereits deshalb verneint, da der sales agent Jahre vor der Vertragsauflösung auf einen späteren Ausgleich verzichtet hatte. Er hatte damals Verfehlungen gesetzt und im Gegenzug zur Nachsicht des Geschäftsherrn hatte dieser den sales agent einen solchen Verzicht unterschreiben lassen. Die Unterinstanzen sahen darin nichts Verwerfliches, der OGH aber einen unzulässigen Vorabverzicht.

 

Spezielle Geschäftsverbindung?

 

Nun blieb als (entscheidende) Frage, wie die Kunden zu qualifizieren sind. Der OGH folgte dabei der Rechtsprechung des EuGH, der (betreffend Brillen) darauf abgestellt hat, ob pro Marke eine spezifische Geschäftsverbindung zum Kunden und eine besondere Verkaufsstrategie erforderlich war.

 

Was genau darunter zu verstehen ist, wurde aber weder vom EuGH noch vom OGH definiert. In der Kommentarliteratur wird darauf abgestellt, ob mit den Kunden pro Marke unterschiedliche Konditionen vereinbart oder gesonderte Rahmenverträge abgeschlossen wurden, Shop-in-Shop-Konzepte umgesetzt wurden etc. Im vom EuGH entschiedenen Fall wurden die Kunden pro Marke als Neukunden angelegt und ein Vertreter war jeweils für eine Marke zuständig. Beides sprach dafür, dass die Kunden pro Marke als Neukunden anzusehen waren.

 

Der konkrete Fall

 

In unserem Fall (wir vertreten den Händler) spricht nichts für eine solche spezifische Geschäftsverbindung. Umstände der geschilderten Art wurden vom Kläger auch gar nicht vorgebracht. Insofern war die Aufhebung durch den OGH erstaunlich, weil angesichts des Sachvortrags eigentlich unnötig. Der Kläger hatte im ersten Rechtsgang (bevor er von der Rechtsansicht des OGH wusste), ausgesagt, dass er die Marke D für den Händler „einfach weiterverkauft“ hat, wie er es schon zuvor für einen anderen Händler getan hatte. Dazu kommt, dass die angestellten Außendienstmitarbeiter stets alle anderen Marken, also A, B und C vertreten, d.h. die Marken gerade nicht auf unterschiedliche Vertreter aufgeteilt sind.

 

Zusätzlich ist zu beachten, dass der Händler die Marke D gar nicht mehr führte (deshalb kam es ja zur Vertragsauflösung mit dem sales agent). Der OGH meinte, der Händler könne aber eventuell dadurch einen weiteren Vorteil aus dem Kundenstock ziehen, dass er andere, ähnlich hochpreisige Marken führen und bei den betreffenden Kunden verkaufen könne. Auch das war aber nicht der Fall. Eine ähnliche Marke kam erst später dazu; maßgeblich ist aber der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung.

 

Folgerungen für die Praxis

 

Die Entscheidung des OGH folgt dem EuGH, wonach die Neukunden unter bestimmten Umständen anhand der einzelnen, vom Geschäftsherrn vertriebenen Marken zu bestimmen sind. Die Hürde dafür liegt aber mit der „spezifischen Geschäftsverbindung“ eher hoch. Nur wenn bestimmte Kriterien dafür sprechen, kann dies argumentiert werden. Dann ist es aber eine interessante Möglichkeit für einen sales agent, zu einem Ausgleichsanspruch zu kommen, auch wenn der Geschäftsherr die Kunden zuvor bereits mit anderen Marken bedient hatte. Im vorliegenden Fall jedoch hat der Kläger diesen Anspruch de facto aufgeben müssen.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

  

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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