„Handelsagent“ war tatsächlich Dienstnehmer (Bundesverwaltungsgericht 14. 7. 2017)

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Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein „Handelsagent“ nach dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht als Dienstnehmer anzusehen. Die dafür maßgebende persönliche Arbeitspflicht und Abhängigkeit liegen dann vor…

 

…wenn bestimmte, für den Außendienst spezifische Kriterien gegeben sind. Im konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht – wie in zahlreichen Entscheidungen zuvor auch – zunächst einmal geprüft, ob sich der „Handelsagent“, ein sog. „Schlafberater“ vertreten lassen durfte. Das war nicht der Fall. Dazu sagen muss man, dass die Rechtsprechung ein vertraglich vorgesehenes Vertretungsrecht ohnehin nur dann anerkannt hätte, wenn es auch in der Praxis gelebt worden bzw. mit den betrieblichen Erfordernissen in Einklang zu bringen gewesen wäre. Eine Vereinbarung „nur zum Schein“ bringt also nichts.

 

Dazu kam, dass die „Vertreter“ zugesagte Kundentermine nicht ohne Folgen ablehnen durften. Eine persönliche Arbeitspflicht war damit gegeben.

 

Die persönliche Abhängigkeit hingegen kam zunächst einmal durch Vorgaben zur Produktpräsentation zum Ausdruck. Vertreterbesprechungen waren verpflichtend, eine Verhinderung aufgrund von Krankheit war bekanntzugeben und der Urlaub musste abgestimmt werden.

 

Was immer wieder in Verträgen aufscheint, obwohl es sich ohnehin aus dem Gesetz ergibt, ist ein Konkurrenzverbot des Agenten. Die Sozialversicherungsanstalten sehen dies aber, wenn es vertraglich festgehalten ist, als weiteres Kriterium an.

 

Dazu kam, dass eine spezielle Berichtspflicht vorgesehen war, wobei vom Geschäftsherrn vorgegebene Formulare zu verwenden waren.

 

Dass die Agenten keine eigenen Betriebsmittel verwendet hatten, rundete das Bild ab (die Agenten hatten Kfz, Handy etc. nicht in ihr Betriebsvermögen aufgenommen).

 

Im konkreten Fall handelte es sich zwar um den Vertrieb von „Schlafsystemen“; die Praxis zeigt aber, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten in vielerlei Branchen auftreten können. Die Kriterien, die die Rechtsprechung anwendet, sind ja stets dieselben. Eine spezifische Motivlage des Geschäftsherrn, warum etwa Berichte erforderlich sind, bleiben außen vor oder schlagen sogar zu Lasten des Geschäftsherrn um (nach dem Motto: wenn das so wichtig ist, zeigt dies ja, dass diese Berichte in der Praxis jedenfalls übermittelt werden mussten etc.).

 

Die oben genannten Kriterien sind jedenfalls bei der Vertragsgestaltung, aber auch in der gelebten Praxis zu beachten, insb. vom Geschäftsherrn, den ja die möglichen Nachteile daraus voll treffen würden. Insofern kann dies auch ein Argument des Handelsagenten im Rahmen von Vertragsverhandlungen sein.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter