Berechnung des Ausgleichs nach holländischem Recht (Kantonsgericht Breda 17. 4. 2024)

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Ist ein auswärtiges Recht anwendbar, ist zu prüfen, ob die dortigen Gerichte den Ausgleichsanspruch des sales agent genau so berechnen wie es nach österreichischem Recht der Fall wäre. Zum holländischen Recht gibt es eine interessante Entscheidung…

 

Der konkrete Fall

 

Der spätere Kläger hatte als sales agent von 2011 bis 2023 die Vertretung für Kindermode inne. Der Geschäftsherr kündigte die Vertretung zum 1. 7. 2023 und informierte die Kunden mit Rundschreiben, dass der Verkauf danach direkt über das eigene Verkaufsteam des Geschäftsherrn stattfinden wird.

 

Unterschiedliche Rechtslage in europäischen Ländern

 

Bekanntlich hat die EU-Handelsvertreterrichtlinie aus 1986 eine gewisse Vereinheitlichung und einen probaten Schutzstandard für sales agents gebracht. Dennoch ist dies eine Richtlinie und keine unmittelbar wirkende Verordnung, sodass in der einzelstaatlichen Umsetzung Spielräume verblieben sind, die teilweise auch genutzt wurden. Die Unterschiede liegen durchaus in den Details. Beim Ausgleich kommt dazu, dass die Richtlinie zwei grundsätzlich gleichwertige Modelle eröffnet hat, nämlich eine Art Schadenersatz- und ein Kompensationsmodell. Ersteres haben etwa Frankreich und Großbritannien umgesetzt, zweiteres Deutschland und Österreich. So kommt es nach britischem Recht in erster Linie auf den Wert der Agentur an, falls sie verkauft würde. Nach deutschem und österr. Recht werden die Folgeprovisionen für die nächsten Jahre geschätzt und hochgerechnet. Das Ergebnis wird mit der Jahresdurchschnittsvergütung verglichen; diese stellt das Maximum dar.

 

Kommt nun auswärtiges Recht zur Anwendung stellt sich immer wieder die Frage, wie die dortigen Gerichte vorgehen. Das ist insb. nach italienischem oder spanischem Recht durchaus die Frage. Bisweilen hört man dazu bloß die Aussage, es gäbe keine festen Regeln zur Ermittlung des Ausgleichs, sondern man müsse eben den Richter überzeugen.

 

Die Entscheidung des holländischen Gerichts

 

Zum holländischen Recht hat das Kantonsgericht Breda nun entschieden, dass (wie wir es aus D oder Ö kennen) eine Hochrechnung der Provisionsverluste zu erfolgen hat. Dabei ist das Gericht von den letzten 12 Monaten ausgegangen und hat die in diesem Zeitraum verdienten Provisionen für 3 Jahre hochgerechnet (unter Ansatz einer Abwanderungsquote von 20%). Im konkreten Fall kam ein Ergebnis dieses „Rohausgleichs“ über dem Jahresdurchschnitt von € 300.000 heraus. Der Agent hatte alle Kunde neu geworben.

 

Der Ansatz von (nur) 3 Jahren kann allerdings zu einem niedrigeren Ausgleich als nach österr. oder deutschem Recht führen, wenn der Anteil an Neukunden und wesentlich erweiterten Altkunden geringer ist. Denn nach österr. Recht werden regelmäßig 4 Jahre angesetzt, nach deutschem Recht bisweilen 5 Jahre (obwohl es gerade zum Modebereich Entscheidungen des OLG München gibt, die nur 3 Jahre angenommen haben).

 

Der Ansatz von 3 Jahren durch das Kantonsgericht Breda geht auf die Schlussanträge der Generalanwältin beim EuGH zurück, die der Rohausgleichsberechnung nach deutschem Modell gefolgt ist, aber – nur beispielhaft – 3 Jahre angesetzt hat.

 

Positiv und richtungsweisend ist, dass das holländische Gericht dem grundsätzlich gefolgt ist, auch wenn sich der Ansatz von nur 3 Jahren einschränkend auswirken kann. Insgesamt bringt die Entscheidung wieder ein Stück mehr Rechtssicherheit für sales agents, auch wenn auswärtiges Recht zur Anwendung kommt.

 

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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