Auswirkungen von Corona auf den Handelsagentenvertrag

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Corona und kein Ende: die rechtlichen Auswirkungen auf Handelsagentenverhältnisse werden erst im Nachhinein im Streitfall durch Gerichte geklärt werden. Spannend ist der aktuelle Meinungsstand dazu, zu dem hier ein Überblick gegeben werden soll…

 

Darf der Handelsagent seinen Einsatz / Aufwand angesichts der Corona-Krise reduzieren?

 

Der Handelsagent ist selbstständig. Er darf also selbst entscheiden, weniger aktiv zu werden (und damit auch seine Kosten zu senken). Seine Akquisebemühungen darf er auf werbende Tätigkeit mit entsprechendem Abstand zu anderen Personen beschränken oder er verlegt sich überhaupt auf Telefonate, Emails und Videokonferenzen. Wo erforderlich und möglich, muss er allerdings überdurchschnittlichen Einsatz zeigen. Hier kommt es – wie so oft – auf die Umstände des Einzelfalls an. Reisen muss er jedenfalls nicht, wenn für das Reiseziel eine offizielle Reisewarnung vorliegt. Ehe der Agent seine Tätigkeit gänzlich einstellt (was er schon im Eigeninteresse kaum tun wird), muss er die möglichen, zumutbaren und sinnvollen Wege ausschöpfen. Welche das sind, hat er im Zweifelsfall mit dem Unternehmer abzustimmen.

 

Darf der Geschäftsherr dem Handelsagenten diesbezügliche Weisungen erteilen?

 

Der Geschäftsherr darf dem Handelsagenten jedenfalls keine Weisungen erteilen, die die oben genannten Grundsätze (und damit letztlich die Selbstständigkeit des Agenten) in Frage stellen. So darf der Geschäftsherr ihn nicht – wie die Dienstnehmer des Geschäftsherrn – zu home-office verpflichten. Umgekehrt darf er den Agenten aber auch nicht zu wirtschaftlich sinnlosen Aktivitäten anhalten. Besteht eben keine Möglichkeit, wirtschaftlich sinnvoll tätig zu werden, muss der Agent dies auch nicht tun. Dasselbe gilt angesichts behördlicher Anordnungen. Der Handelsagent wird insofern von seiner Leistungspflicht frei. Klar ist aber, dass vorübergehende Leistungshindernisse nur während ihrer Dauer von der Leistungspflicht befreien. Eine Tätigkeit im home-office wird sich hier schon aus der Situation heraus aufdrängen, dies aber nach weitestgehend eigenständiger Entscheidung des Agenten.

 

Ist eine Tätigkeit (außerhalb des home-office) schon deshalb unzumutbar, weil man sich ja stets anstecken könnte?

 

Eine Ansteckungsgefahr besteht theoretisch immer. Da die Symptome im Regelfall mild bleiben, wird man hier vom allgemeinen Lebensrisiko sprechen müssen. Dieses begründet noch keine Unzumutbarkeit der Leistungserbringung. Anderes kann bei Risikogruppen gelten (z.B. bei einschlägigen Vorerkrankungen) oder falls andere Personen am Tätigkeitsort infiziert sind (oder Verdachtsfälle aufgetreten sind). Dann ist der Handelsagent von seiner Leistungspflicht befreit (ausgenommen Ausweichmöglichkeiten wie eben home-office). Man sieht also auch hier: eine gänzliche Leistungseinstellung wird in der Praxis die Ausnahme sein.

 

Was gilt, wenn der Agent selbst infiziert war/ist? Muss er dies dem Geschäftsherrn mitteilen? Darf dieser den Agenten danach fragen?

 

Dem Geschäftsherrn wird man ein berechtigtes Interesse, über eine Infektion informiert zu werden, nicht absprechen können insb. wenn der Agent persönlichen Kontakt zum Geschäftsherrn und seinen Mitarbeitern hatte. Dasselbe gilt aber auch bei Kundenkontakt. Würde der Agent jemanden infizieren, wäre dies aus Imagegründen sicher abträglich abgesehen von damit einhergehenden Haftungsfragen. Der Geschäftsherr darf also den Agenten auch fragen, ob er infiziert ist und dieser muss wahrheitsgemäß antworten. Dies setzt aber die Kenntnis des Agenten der Infektion voraus. Treten Verdachtsmomente auf, muss der Agent diesen nachgehen. Ohne Verdachtsmomente muss er sich allerdings nicht testen lassen. Ist der Agent infiziert, muss er für die Dauer der Verhinderung für eine Vertretung sorgen, sofern dies faktisch und wirtschaftlich machbar (und angesichts der Möglichkeit eines home-office überhaupt erforderlich) ist.

 

Hat der Agent einen Anspruch auf Provisionsanpassung während Corona?     

 

Zunächst einmal ist schon die Dauer bzw. Aktualität der Corona-Krise schwierig zu bestimmen. Während die Auswirkungen in der einen Branche nahezu abgeebbt sein können (vorübergehend?), sind sie in der anderen (noch?) voll wirksam. Rechtlich würde man eine Anpassung der Provisionsvereinbarung wohl am ehesten über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. eine ergänzende Vertragsauslegung versuchen. Doch was hätten die Parteien für den Fall einer solchen Pandemie vereinbart? Eine Garantieprovision? In welcher Höhe und für wie lange?

 

Variablen Vergütungen ist stets immanent, dass sie sich ändern können. Der Handelsagent kann in guten Zeiten (hoffentlich) hinreichend verdienen, dafür hat der Geschäftsherr die Gewähr, nichts zahlen zu müssen, wenn keine Geschäfte erfolgen. Diese Risikoverteilung ist keineswegs einseitig: wenn keine Provision anfällt, sind eben keine Geschäfte vermittelt worden. Dann hat auch der Geschäftsherr keinen Vorteil – man sitzt insofern im selben Boot. Dass sich dies im Einzelfall aufgrund besonderer Verdienste des Agenten in der Vergangenheit oder auch besonderer Vorlaufleistungen anders darstellen kann, ist schon klar. Das gesetzliche System geht aber von einer Art „Schicksalsgemeinschaft“ aus. Dem Agenten ist prinzipiell zuzutrauen, durch einen entsprechenden Provisionssatz seine Interessen insgesamt, d.h. inklusive schlechter Zeiten zu wahren. Dass die Corona-Zeit eine besondere ist, kann daran nichts ändern. Denn wie gesagt, das gilt für den Geschäftsherrn gleichermaßen.

 

Dass bei der Zusammenarbeit mit selbstständigen Handelsagenten gerade keine Fixkosten anfallen, macht diese ja besonders attraktiv. Anders als bei Angestellten läuft die Lohnzahlung nicht weiter und auch eine Anmeldung zur Kurzarbeit ist nicht erforderlich. Diese entsteht sozusagen „automatisch“. Und andererseits: es wird auch „Corona-Gewinner“ geben, die aufgrund besonders nachgefragter Produkte besonders gut verdienen. Diese Vertriebspartner kommen sicher auch nicht auf die Idee, Vorteile aufgrund von Sondereffekten mit dem Geschäftsherrn zu teilen, der ja ohnehin das Geschäft macht…

 

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter

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