Aktuelle Rechtsprechung zum Verbot der Einlagenrückgewähr

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Aktuelle Rechtsprechung zum Verbot der Einlagenrückgewähr

 

Mit der Entscheidung vom 29.08.2017, 6 Ob 114/17h, hat der OGH seine Rechtsprechung bestätigt, dass es zur Beurteilung einer verbotenen Einlagenrückgewähr hauptsächlich auf die Frage einer betrieblichen Rechtfertigung bzw. darauf ankommt, ob das Geschäft mit einem Dritten überhaupt abgeschlossen worden wäre. Darüber hinaus hat das Höchstgericht einige offene Fragen zum Rückersatzanspruch gemäß § 83 GmbHG geklärt. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Entscheidung und die Folgen für die Praxis.

 

Ausgangslage der Entscheidung war der Verkauf von Anteilen an einer GmbH („Zielgesellschaft“). Zur Aufbringung des Kaufpreises verkaufte die Zielgesellschaft eigene Betriebsliegenschaften. Die Zielgesellschaft überließ den Verkaufserlös an die Anteilserwerber (Neugesellschafter) als Darlehen und wies den Treuhänder aus dem Liegenschaftsverkauf an, den bei ihm hinterlegten Verkaufserlös direkt an den Altgesellschafter zur Tilgung des Abtretungspreises auszuzahlen. Der Altgesellschafter nahm die Zahlung an, klagte in der Folge die Anteilserwerber (Neugesellschafter) allerdings auf (neuerliche) Zahlung des gesamten Kaufpreises, weil wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr eine wirksame Zahlung bisher nicht erfolgt sei.

 

Darlehensgewährung an den (Neu-)Gesellschafter

Während das Erstgericht die Klage abwies, gab ihr der OGH statt. Grundsätzlich liegt die immer wieder auftretende Konstellation vor, in der die Zielgesellschaft den Anteilserwerb an ihr selbst finanziert (vgl in der Rechtsprechung zuletzt z.B. OGH 6 Ob 14/14y). Zur Beurteilung der damit verbundenen Darlehensgewährung der Gesellschaft an den (Neu-)Gesellschafter ist es nach Ansicht des OGH entscheidend, ob eine Besserstellung des Gesellschafters gegenüber anderen Vertragspartnern der Gesellschaft erfolgt und ob diese Bevorzugung aufgrund der Gesellschafterstellung erfolgt und zu Lasten der Gesellschaft geht (unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung, 6 Ob 171/15p ErwGr 5.5). Diese Voraussetzung wird nach Ansicht des OGH bei der Gewährung von Darlehen in der Regel zutreffen, weil Nicht-Banken im Normalfall keinen Geldkredit begeben. Aus diesem Grund dürfen Darlehen nur dann ausnahmsweise an Gesellschafter vergeben werden, wenn die Auskehr der Mittel mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist. Zudem berücksichtigt der OGH die mangelnde Möglichkeit einer Risikostreuung bei Vergabe nur eines Kredits.

 

Verbotene Einlagenrückgewähr trotz marktüblicher Verzinsung

Die Darlehensgewährung wurde daher als Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr iSd § 82 GmbHG gewertet. Dabei lehnte der OGH ausdrücklich das Argument ab, dass eine marktübliche Verzinsung vereinbart worden sei. Es seien nicht nur die konkreten Konditionen zu berücksichtigen, sondern vor allem auch die Frage, ob mit einem gesellschaftsfremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlossen worden wäre.

 

Entgegen der Kritik der Lehre führt der OGH damit die Rechtsprechung der Entscheidung 6 Ob 110/12p fort, das Kriterium der betrieblichen Rechtfertigung in den Vordergrund zu rücken. Selbst wenn ein objektives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht besteht (und somit ein fremdüblicher Leistungsaustausch vorliegt), kann daher eine verbotene Einlagenrückgewähr vorliegen, wenn das Geschäft mit einem Dritten überhaupt nicht abgeschlossen worden wäre. Aus dieser Rechtsprechung folgt für die Praxis, dass bei beabsichtigten Darlehensgewährungen von der Gesellschaft an einen Gesellschafter äußerste Vorsicht angebracht ist und eine solche Darlehensgewährung nur ausnahmsweise zulässig sein wird (wobei das Kriterium der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters in diesem Zusammenhang relativ unbestimmt ist). Fraglich ist, ob anhand des Maßstabs der Rechtsprechung in Zukunft beispielsweise auch Darlehensgewährungen an Gesellschafter im Rahmen von Verrechnungskonten zu beurteilen sein werden.

 

Rückersatzanspruch gemäß § 83 GmbHG

In der Entscheidung hat der OGH weiters einige offene Fragen zum Rückersatzanspruch gemäß § 83 GmbHG geklärt. Grundsätzlich ist gemäß § 83 GmbHG der Gesellschafter, zu dessen Gunsten gesetzwidrige Zahlungen geleistet worden sind, der Gesellschaft zum Rückersatz verpflichtet. Schuldner des Erstattungsanspruchs ist jener Gesellschafter, der die verbotene Auszahlung empfangen hat; dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft auf Verlangen des Gesellschafters eine Leistung an einen Dritten erbringt. Dies wäre im vorliegenden Fall der Anteilserwerber (Neugesellschafter). Eine Aufspaltung des einheitlich zu bewertenden Gesamtvorgangs (Darlehensgewährung an die Neugesellschafter und Auszahlung des Verkaufserlöses an den Altgesellschafter) lehnte der OGH in der vorliegenden Konstellation allerdings ab. Es ist daher auch der Altgesellschafter als faktischer Leistungsempfänger zum Rückersatz verpflichtet.

 

Erkennbarkeit unerheblich

Der OGH hat zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr für die Rückzahlungspflicht gemäß § 83 GmbHG keine Rolle spielt. Auch gutgläubig empfangene Leistungen der Gesellschaft sind rückzuerstatten, wenn die Leistung aus einer verbotenen Einlagenrückgewähr stammt.

 

Obliegenheit für Anteilsverkäufer

Für die Praxis folgt daraus, dass bei einem Anteilsverkauf auch den Verkäufer in bestimmten Konstellationen eine Obliegenheit trifft, die Herkunft der Mittel für die Bezahlung des Kaufpreises zu prüfen. Dies gilt insbesondere für solche Konstellationen, in denen der Anteilsverkäufer als Empfänger der (verbotenen) Leistung der Gesellschaft anzusehen ist. Die Leistung einer anfechtbaren bzw. nichtigen Zahlung kann nicht als Erfüllung iSd § 1412 ABGB angesehen werden. Der Verkäufer ist daher zur Zurückweisung einer solchen Zahlung berechtigt. Nimmt er sie hingegen an, dann ist die Zahlung dennoch nicht schuldbefreiend, sondern „mit dem Mangel des Rückersatzanspruchs belastet“. Weist der Verkäufer die Zahlung nicht zurück, muss er (bis zur Verjährung) mit einer jederzeitigen Inanspruchnahme durch die Gesellschaft auf Rückzahlung rechnen.

 

Unwirksamkeit der Abtretung

Im vorliegenden Fall versuchten die beklagten Anteilserwerber die Klage noch dadurch abzuwenden, dass sie sich den Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 83 GmbHG abtreten ließen und gegen den Kaufpreiszahlungsanspruch aufrechneten. Der OGH erklärt die Abtretung allerdings ebenfalls wegen Verstoßes gegen § 82 GmbHG für unwirksam. Insbesondere wurde für die Abtretung keine werthaltige Gegenleistung erbracht, weil sie nur dazu diente, den Klagsanspruch abzuwehren und dadurch der Gesellschaft die entzogenen Mittel aber nicht rückgeführt werden.

 

Zuletzt gewährte der OGH dem Kläger sogar den Anspruch auf Verzugszinsen, weil die erhaltene Zahlung ja keine schuldbefreiende Wirkung hatte und der Kläger seinerseits die aus den Mitteln der Gesellschaft erhaltenen Beträge an diese gemäß § 83 GmbHG mit Zinsen zurückstellen muss.

 

Fazit

 

Insgesamt schreibt die Entscheidung das weite Verständnis der Rechtsprechung zur verbotenen Einlagenrückgewähr bei Darlehensgewährung von der Gesellschaft an einen Gesellschafter fort. Eine solche wird nur mehr ausnahmsweise zulässig sein, wobei es auf die Fremdüblichkeit der vereinbarten Konditionen primär nicht mehr ankommt. Bei einem Anteilsverkauf sollte der Verkäufer eingehend prüfen, woher die Mittel zur Begleichung der Kaufpreisforderung stammen; kritisch sind Konstellationen, in denen der Verkäufer als Empfänger einer verbotenen Leistung der Gesellschaft anzusehen ist.

 

Ihre Ansprechpartner:

Dr. Florian Linder

Dr. Lukas Schenk