Aktuelle Entscheidungen zu Anlegerschäden

| Bank- und Kapitalmarktrecht · Prozessführung

In einigen aktuellen Entscheidungen hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) Gelegenheit, Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Ansprüchen geschädigter Anleger zu klären.

Schadensminderungspflicht durch Verkauf der Wertpapiere

OGH 18.10.2016, 1 Ob 118/16h

Grundsätzlich hat ein Anleger, der bei Erwerb der Vermögensanlage fehlerhaft beraten wurde (z.B. weil ihm statt einer risikolosen Anlage riskante Wertpapiere empfohlen wurden), Ansprüche auf Schadenersatz gegen den Berater bzw. die Bank. Allerdings darf man sich bei der Geltendmachung der Ansprüche nicht zu lange Zeit lassen. Wenn der Anleger erkennt, dass er nicht die gewünschten Wertpapiere hat, stellt sich die Frage, ob er verpflichtet ist, den Schaden zu minimieren (z.B. durch einen Verkauf der Wertpapiere).

Nach Ansicht des OGH kann der Schädiger dem Anleger, der wegen der pflichtwidrigen Anlageberatung nicht die gewünschten risikolosen, sondern risikoträchtige Wertpapiere erworben hat, grundsätzlich den Einwand der Schadensminderungspflicht entgegenhalten. Allerdings ist eine Verkaufsobliegenheit nur für „besondere Fallkonstellationen“ zu bejahen, weil die Kursentwicklung im Regelfall keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zulässt. Hat der Anleger allerdings von Anfang an anstelle der gewünschten sicheren Anlage unerwünschte Papiere gehalten, und diesen Umstand zu einem Zeitpunkt erkannt, als es ihm nach einer angemessenen Überlegungszeit möglich gewesen wäre, die Papiere zu veräußern und den Verlust damit zu begrenzen, dann kann er unter Umständen nicht vollen Schadenersatz verlangen. Im schlimmsten Fall verliert er den Anspruch zur Gänze, nämlich dann, wenn er – wie im vorliegenden Fall – die Wertpapiere sogar mit einem Gewinn hätte verkaufen können, selbst wenn der Kurs danach wieder gefallen ist.

Verjährung von Aufklärungspflichtverletzungen

OGH 25.10.2016, 5 Ob 186/16p

Auch aus einem anderen Grund ist die rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche wichtig, weil sonst Verjährung droht. Grundsätzlich verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Fraglich ist der Fristbeginn, wenn dem Anleger ein „kombiniertes Produkt“ empfohlen wird, so wie in dem entschiedenen Fall ein Fremdwährungskredit in Kombination mit einem Tilgungsträger (z.B. Lebensversicherung). Die Frage stellt sich auch bei sog. „Hebelfinanzierungskonzepten“, bei denen der Kredit nur zu dem Zweck aufgenommen wird, um mit der Kreditvaluta in Finanzinstrumente zu investieren (d.h. letztlich um mit geborgtem Geld zu spekulieren).

Nach Ansicht des OGH ist bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, für den Beginn der Verjährungsfrist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzept nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist. Teilt der Berater bzw. die Bank mit, dass der Kredit wegen der negativen Wechselkursentwicklungen in EUR konvertiert wurde, dann ist dem Anleger damit ausreichend deutlich vor Augen geführt, dass das von ihm gewählte Konzept nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos war. Die Verjährung beginnt daher in diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Beginn des Fristenlaufs ist spätestens dann anzunehmen, wenn der Anleger zur Abdeckung von bereits realisierten Verlusten weitere Kreditmittel in Anspruch nehmen muss.

Bei der Beurteilung der Verjährung können allerdings auch Beschwichtigungsversuche des Beraters zu berücksichtigen sein. Von Beschwichtigungen des Beraters kann dann gesprochen werden, wenn ein beim Geschädigten allenfalls entstandener Verdacht, er habe nicht die begehrte Anlage erhalten, wieder zerstreut und derart gerade die vollständige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen verhindert wird. Solche Beschwichtigungsversuche können dazu führen, dass der Beginn der Verjährungsfrist hinausgeschoben wird.

Die beiden Entscheidungen des OGH zeigen, dass es wichtig ist, unverzüglich rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, wenn bei einer Vermögensanlage der Verdacht besteht, nicht das gewünschte Produkt erhalten zu haben.

Stop Loss – kein schlüssiger Verzicht auf Schadenersatzanspruch durch  Ablehnung eines Rückkonvertierungsangebots

OGH 25.10.2016, 4 Ob 214/16y

 Bei CHF-Fremdwährungskrediten haben viele Kreditnehmer Schäden dadurch erlitten, dass die empfohlene Stop-Loss-Order nicht zu einer Konvertierung zu dem zugesagten Wechselkurs geführt hat. Vielmehr wurden die Kredite zu einem für den Kreditnehmer deutlich schlechteren Kurs konvertiert. Für die Frage, ob dem Kreditnehmer aus diesem Grund ein Schadenersatzanspruch zusteht, sind auch die mündlichen Beratungen und Aufklärungen durch den Berater bzw. Bankbetreuer maßgeblich. Zur Klärung dieser Fragen sind bei den Gerichten Verfahren anhängig. Der OGH hat in diesem Zusammenhang nun eine Nebenfrage geklärt. Der Kreditnehmer verzichtet nicht schlüssig auf seine Schadenersatzansprüche, wenn er das Angebot der Bank ablehnt, den Kredit zu jenem Kurs rückzukonvertieren, zu welchem die Konvertierung erfolgt war. Im konkreten Fall stützte sich der Kläger darauf, dass er bei korrekter Beratung schon viel früher konvertiert (nämlich im Oktober 2014) und sich gar nicht auf eine Stop-Loss-Order eingelassen hätte. Das Angebot auf Rückkonvertierung zu dem Kurs, zu dem der Kredit im Jänner 2015 konvertiert wurde, muss der Kreditnehmer dann nicht annehmen.

 

Ihr Ansprechpartner: Dr. Florian Linder